Was ist Altersteilzeit?
Altersteilzeit ermöglicht älteren Arbeitnehmer*innen einen graduellen bzw. frühzeitigen Übergang vom Erwerbsleben in die Rente. Beschäftigte in Altersteilzeit reduzieren ihre bisherige Arbeitszeit um die Hälfte. Ein Teil der damit verbundenen Gehaltseinbußen wird vom Arbeitgeber durch Aufstockungsbeträge ausgeglichen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen und sämtliche Voraussetzungen sind im Altersteilzeitgesetz (AltTZG) geregelt.
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Ab wann können Beschäftigte in Altersteilzeit gehen?
Altersteilzeit kann für Mitarbeiter*innen ab dem 55. Lebensjahr vereinbart werden, sofern sie innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit mindestens 1.080 Kalendertage sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Ob diese Tätigkeit in Voll- oder Teilzeit ausgeübt wurde, ist dabei unerheblich. Auch Zeiträume mit Anspruch auf Arbeitslosengeld können in die Berechnung einfließen.
Welche Modelle sind für die Altersteilzeit möglich?
Bei der Vereinbarung von Altersteilzeit kommt in der Praxis meist eines der beiden folgenden Modelle zum Einsatz:
- Gleichverteilungsmodell: Bei der kontinuierlichen Altersteilzeit wird die Arbeitszeit während des gesamten Zeitraums der Altersteilzeit um die Hälfte reduziert. Mitarbeiter*innen, die bisher beispielsweise 40 Stunden pro Woche gearbeitet haben, stehen Ihnen dann nur noch 20 Stunden pro Woche zur Verfügung.
- Blockmodell: Bei diesem Modell wird die bis zur Rente verbleibende Arbeitszeit in zwei gleich lange Beschäftigungsphasen unterteilt. Während der ersten Phase arbeiten die Beschäftigten wie gewohnt mit ungekürzter Arbeitszeit weiter, wohingegen sie in der zweiten Phase komplett freigestellt werden.
Wie Altersteilzeit funktioniert, kann im Detail genau wie die Verteilung der Arbeitszeiten und Arbeitstage individuell vereinbart werden. Auch eine stufenweise Herabsetzung der Arbeitszeit ist im Laufe der Zeit möglich.
Wie lange dauert die Altersteilzeit?
Eine Mindestlaufzeit ist gesetzlich nicht festgelegt. Allerdings muss die Altersteilzeit mindestens bis zu dem Zeitpunkt laufen, ab dem eine Altersrente in Anspruch genommen werden kann.
Welche Pflichten gehen für Arbeitgeber mit der Vereinbarung von Altersteilzeit einher?
Da Ihnen Mitarbeiter*innen in Altersteilzeit nur noch halb so lange wie bisher zur Verfügung stehen, halbiert sich auch ihr Gehalt. Als Arbeitgeber sind Sie allerdings verpflichtet, das Entgelt um 20 Prozent des reduzierten Betrags aufzustocken. Für Ihre Beschäftigten ist diese Aufstockung steuer- und sozialabgabenfrei. Jedoch unterliegt sie dem Progressionsvorbehalt. Außerdem müssen Sie als Arbeitgeber auch weiterhin mindestens 80 Prozent der bisherigen Rentenversicherungsbeiträge abführen. Die Pflicht zur Zahlung des Aufstockungsbetrags und der zusätzlichen Rentenbeiträge endet nach maximal sechs Jahren.
Bitte beachten Sie, dass in Tarif- oder Arbeitsverträgen höhere Prozentsätze festgelegt werden können. Dort kann auch geregelt sein, ob während der Altersteilzeit weiterhin Ansprüche auf freiwillige Zusatzleistungen und Sonderzahlungen seitens des Arbeitgebers bestehen.
Besteht ein Rechtsanspruch auf Altersteilzeit?
Das Altersteilzeitgesetz schreibt vor, wie Altersteilzeit funktioniert und welche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen gelten. Ein rechtlicher Anspruch ergibt sich aus der Norm aber nicht. Wenn auch in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen kein Recht auf Altersteilzeit vorgesehen ist, handelt es sich um eine freiwillige Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter*in. Unternehmen sind somit nicht verpflichtet, eventuell bestehenden Wünschen nach Altersteilzeit auch nachzukommen. Allerdings kann dieses Modell auch für Arbeitgeber mit einigen entscheidenden Vorteilen einhergehen …
Welche Vorteile bringt die Altersteilzeit für Arbeitgeber?
Obwohl die staatliche Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit bereits im Jahr 2010 eingestellt wurde, kann sich Altersteilzeit für Unternehmen in vielerlei Hinsicht lohnen:
Wissens- und Erfahrungstransfer
Ältere Beschäftigte verfügen häufig über jahrzehntelange Berufspraxis und sind bis in alle Einzelheiten mit den internen Abläufen und Prozessen im Unternehmen vertraut. Wird die Altersteilzeit als kontinuierliches Modell vereinbart, können die erfahrenen Mitarbeiter*innen ihr wertvolles Wissen durch flexible Arbeitszeitmodelle wie Jobsharing an jüngere Kolleg*innen weitergeben, bevor sie sich in den Ruhestand verabschieden.
Kostenkontrolle
Die Lohnkosten für Arbeitnehmer*innen in Altersteilzeit sind trotz der Aufstockungsbeträge niedriger als für Vollzeitbeschäftigte. Auch der Produktivitätsverlust durch die verkürzte Arbeitszeit fällt oft geringer aus als erwartet, weil ältere Beschäftigte mit ihren weitreichenden Kenntnissen viele Aufgaben schneller erledigen als noch unerfahrene Kolleg*innen. Darüber hinaus tragen die kürzeren Arbeitszeiten während der Altersteilzeit in einigen Fällen zur Entlastung und zum Stressabbau am Arbeitsplatz bei, was wiederum zu einer Senkung der krankheitsbedingten Ausfallzeiten führen kann. Bei Blockmodellen eröffnen sich zusätzliche Einsparpotenziale, indem bestimmte Arbeitgeberleistungen wie Boni oder Firmenwagen vertraglich nur für die aktive Arbeitsphase vereinbart werden.
Planungssicherheit
Altersteilzeit kann die Personalbedarfsplanung erleichtern, da für freiwerdende Positionen frühzeitig eine geeignete Nachfolge gesucht werden kann. Auch das Onboarding verläuft oft erfolgreicher, wenn sich die neuen Mitarbeiter*innen mit den scheidenden Fachkräften zunächst eine Stelle teilen und von deren Erfahrungsschatz profitieren. Darüber hinaus kann die Altersteilzeit schrittweise Umstrukturierungen im Unternehmen einleiten und einen strategischen und gleichzeitig sozialverträglichen Stellenabbau ermöglichen.
Motivation, Loyalität und Mitarbeiterbindung
Mit Altersteilzeitangeboten zeigen Arbeitgeber, dass sie die Bedürfnisse älterer Arbeitnehmer*innen ernst nehmen und ihren Wünschen nach einer besseren Work-Life-Balance nachkommen. Die Aussicht auf einen graduellen oder vorzeitigen Abschied aus dem Berufsleben kann sich nicht nur positiv auf die Motivation und die allgemeine Mitarbeiterzufriedenheit auswirken, sondern auch dazu führen, dass Beschäftigte ihrem Arbeitgeber bis zum Anspruchsalter und darüber hinaus die Treue halten. Je stärker die Mitarbeiterbindung in einem Unternehmen ausgeprägt ist, desto geringer fallen in der Regel auch das Fluktuationsrisiko und die damit verbundenen Kosten aus.
Positive Außenwirkung
Unternehmen, die Altersteilzeit anbieten, übernehmen soziale Verantwortung und stehen für eine nachhaltige Personalpolitik, in deren Rahmen Altersdiskriminierung keine Chance hat und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Generationen gefördert wird. Die Möglichkeit für Altersteilzeit zahlt somit auf Ihr Employer Branding ein und kann Ihren Ruf als attraktiver Arbeitgeber nicht nur bei älteren Jobsuchenden verbessern. Schließlich legen Mitarbeiter*innen aller Altersgruppen Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance und eine gute Arbeitskultur.
Förderung der Innovationskultur
Ein oft übersehener Aspekt der Altersteilzeit ist ihr Potenzial, die Innovationskultur innerhalb eines Unternehmens voranzubringen. Zum einen können im Rahmen von Altersteilzeit mehrgenerationale Teams entstehen, die ein hohes Maß an Kreativität und Innovationsgeist aufweisen, weil sie die frischen Perspektiven und die technologische Affinität jüngerer Mitarbeiter*innen mit der Erfahrung und dem fundierten Branchenwissen ihrer älteren Kolleg*innen kombinieren. Durch die bereichernde Zusammenarbeit etabliert sich Lernen als wichtiger Bestandteil der Unternehmenskultur und es entsteht ein Umfeld, in dem unkonventionelle Ideen und Lösungsansätze willkommen sind. Zudem signalisiert das Angebot flexibler Arbeitszeitmodelle die Bereitschaft, traditionelle Arbeitsstrukturen zu überdenken und bei Bedarf anzupassen – eine Haltung, die sich auch auf andere Bereiche der Unternehmensführung und -entwicklung übertragen lässt und den Weg zur agilen Organisation ebnet.
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Welche Nachteile können sich aus der Altersteilzeit ergeben?
Trotz der vielen Vorteile kann Altersteilzeit für Arbeitgeber auch einige Nachteile mit sich bringen:
Kosten für Gehaltsaufstockung
Seit die staatliche Förderung für Altersteilzeit gestrichen wurde, müssen Sie als Arbeitgeber die zusätzlichen Kosten für die Aufstockung des reduzierten Teilzeitgehalts allein übernehmen. Je nach individueller Regelung ist eine Altersteilzeitstelle somit um mindestens 20 Prozent teurer als eine reguläre Teilzeitstelle. Allerdings sollten Sie den oft unschätzbaren Wert erfahrener Mitarbeiter*innen in eventuellen Kosten-Nutzen-Analysen nicht außer Acht lassen.
Verwaltungsaufwand
Von der Ausarbeitung individueller Vereinbarungen über die Berechnung der Aufstockungsbeträge bis hin zur Meldung bei der Rentenversicherung – die praktische Umsetzung von Altersteilzeit kann für die Personalabteilung mit erheblichem Organisationsaufwand einhergehen. Viele administrative Aufgaben lassen sich jedoch mit einer geeigneten HR-Software schnell in den Griff bekommen. Neben Human Resources muss die Arbeitsorganisation oft auch in anderen Unternehmensbereichen angepasst werden, um einen reibungslosen Übergang zur Altersteilzeit zu gewährleisten.
Produktivitätsverlust
Um einen Produktivitätsverlust infolge der um die Hälfte gekürzten Arbeitszeit zu vermeiden, sollten Sie sich um eine zeitnahe Nachbesetzung der frei werdenden Stellen bemühen. Bedenken Sie allerdings, dass auch das Recruiting und Onboarding neuer Mitarbeiter*innen mit zusätzlichen Kosten für Ihr Unternehmen verbunden ist. Darüber hinaus könnte das möglicherweise erhöhte Ausfall- und Krankheitsrisiko älterer Arbeitnehmer*innen in Produktivitätsfragen eine Rolle spielen.
Generationenkonflikte
Die Tatsache, dass ältere Beschäftigte für die Hälfte der Arbeitszeit mehr als die Hälfte des regulären Entgelts erhalten, kann bei jüngeren Teammitgliedern zu Neid und Missgunst führen. Unter der entstehenden Unzufriedenheit leidet häufig nicht nur die Mitarbeitermotivation, sondern auch das Betriebsklima. Unter Umständen lässt sich das Risiko für zwischenmenschliche Konflikte und daraus resultierende Produktivitätseinbußen durch regelmäßige Teambuilding-Events und andere vorbeugende Maßnahmen reduzieren.
Trotz der beschriebenen Herausforderungen bleibt die Altersteilzeit eine wertvolle Möglichkeit, den Übergang in den Ruhestand flexibel zu gestalten und die Arbeitsbedingungen für ältere Mitarbeiter*innen zu verbessern. Richtig umgesetzt, ist Altersteilzeit ein geeignetes Mittel, um die Zusammenarbeit zwischen den Generationen zu fördern, den internen Wissenstransfer zu erleichtern und eine offene, innovative Arbeitskultur zu schaffen. Wenn Unternehmen diese Potenziale erkennen und zu ihrem Vorteil nutzen, können sie sich als attraktiver Arbeitgeber für Mitarbeiter*innen aller Altersgruppen positionieren und die eigene Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten des Fachkräftemangels langfristig stärken.