28 % der Jobsuchenden in den USA geben an, dass sie schon einmal den Kontakt zu einem Arbeitgeber abgebrochen haben. Im Jahr 2019 waren es noch 18 %, das ist ein Anstieg von 56 %. Gleichzeitig hatten 76 % der Arbeitgeber laut eigener Angabe im letzten Jahr mit Job-Ghosting zu tun. Vom abrupten Kontaktabbruch in der frühen Screening-Phase über nicht wahrgenommene Vorstellungsgespräche ohne vorherige Absage bis hin zum Nichterscheinen am ersten Arbeitstag – Job-Ghosting wird zu einem immer größeren Problem. Doch auch wenn das Problem des Job Ghosting primär in den USA anzutreffen ist, sollten wir das Phänomen auch für den deutschen Markt durchaus im Blick behalten. Dafür haben wir Ihnen einige Hinweise und Tipps zum Erkennen und für den Umgang mit Job Ghosting zusammengestellt.
Ein gespenstischer Trend
- 76 % der Arbeitgeber geben an, dass sie in den letzten 12 Monaten Ghosting erlebt haben.
- 28 % der Jobsuchenden haben nach eigener Aussage schon einmal abrupt den Kontakt zu einem Arbeitgeber abgebrochen. Im Jahr 2019 waren es noch 18 %.
- 77 % der Jobsuchenden haben seit März 2020 den Kontaktabbruch vonseiten des Arbeitgebers erlebt und 10 % berichten sogar von Ghosting, nachdem ihnen ein mündliches Stellenangebot unterbreitet wurde.
Quelle: Indeed (USA), Employer Ghosting: A Troubling Workplace Trend, Februar 2021.
Ghosting erscheint vielleicht zuerst wie eine kleine Unannehmlichkeit, wenn vereinzelt Kandidat*innen den Kontakt abbrechen oder Sie bei Vorstellungsgesprächen versetzen. Tatsächlich kann das Phänomen aber auch ein Hinweis auf ein größeres Problem in Ihrem Unternehmen sein. Es kann beispielsweise darauf hindeuten, dass Kandidat*innen sich Ihrem Unternehmen oder Ihrer Stelle nicht verbunden fühlen. Anstatt ihr Desinteresse zu kommunizieren, brechen sie den Kontakt lieber ab.
Zudem kann Ghosting auf allen Ebenen beträchtlichen Einfluss auf die Effizienz Ihres Recruitingprozesses haben. 40 % der Kandidat*innen sehen kein Problem darin, Vorstellungsgespräche unangemeldet ausfallen zu lassen und den Kontakt zu Arbeitgebern abzubrechen. Möglicherweise investiert Ihr Team also sehr viel Zeit in das Screening von Kandidat*innen, die nicht wirklich interessiert sind und Sie später gegebenenfalls beim Vorstellungsgespräch versetzen.
Auch Bewerber*innen, die nicht zum Vorstellungsgespräch erscheinen, beeinträchtigen Ihre Produktivität. Bereits eine Pause kann die Effizienz und Produktivität erheblich beeinträchtigen. Im Durchschnitt dauert es bis zu 25 Minuten, um sich nach einer Unterbrechung wieder in eine Aufgabe hineinzudenken. Ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch kann diesen Produktivitätsverlust natürlich ein Stück weit ausgleichen. Die Zeit jedoch, in der Sie auf Bewerber*innen warten, die nicht zum Vorstellungsgespräch erscheinen, ist leider so gut wie verloren.
Ghosting und die Pandemie
Der Trend des Job Ghosting ist kein neues Phänomen. Laut einer Indeed-Umfrage aus dem Jahr 2019 war das Phänomen bereits vor der COVID-19-Pandemie in den USA im Kommen und wurde sowohl von Jobsuchenden als auch Arbeitgebern befeuert. Seitdem hat sich das Problem verschärft: Fast die Hälfte der amerikanischen Jobsuchenden gibt zu, dass Arbeitgeber wahrscheinlich heutzutage häufiger als je zuvor mit Ghosting zu tun haben. Und auch in Deutschland zeigen sich erste Tendenzen.
Um gegen Ghosting vorzugehen, sollte Ihr Team Maßnahmen ergreifen und nicht interessierte Kandidat*innen in jeder Phase des Recruitings aussortieren. Die Maßnahmen beginnen mit einer optimierten Kommunikation zwischen Recruitingteams und Kandidat*innen, also einer gekonnten Kombination aus persönlichem Kontakt und automatisierten Nachrichten. Bedenken Sie, dass Kandidat*innen möglicherweise schneller zu Ghosting tendieren, wenn sie Ihr Unternehmen nicht mit einem konkreten Gesicht verbinden. Wenn Sie eine zwischenmenschliche Note in den Prozess einfließen lassen, beispielsweise eine kurze Zoom-Besprechung, einen Telefonanruf oder eine persönliche E-Mail, werden Kandidat*innen Ihrem Team wahrscheinlich eher zumindest Bescheid geben, wenn sie sich dazu entscheiden, den Bewerbungsprozess abzubrechen.
Prüfen Sie Ihren Kommunikationsstil
Wichtig ist außerdem, dass Sie die Art und Weise der Kommunikation mit Kandidat*innen berücksichtigen und prüfen.. Oftmals werden Anrufe von unbekannten Nummern abgelehnt. Aus diesem Grund sollten Sie unbedingt im Vorhinein Kontaktdaten austauschen, damit Kandidat*innen bereits Ihre Telefonnummer speichern können. Zudem sind Mobilgeräte aus der Jobsuche nicht mehr wegzudenken: 65 % aller Suchanfragen auf Indeed Deutschland stammen von Mobilgeräten. Je nach vorherigem Kontakt mit Kandidat*innen können SMS helfen, Ghosting unkompliziert vorzubeugen. Da 90 % der Menschen SMS innerhalb der ersten drei Minuten öffnen und SMS 5-mal eher geöffnet sowie 8-mal eher beantwortet werden als E-Mails, kann dieser Kommunikationswechsel die Wahrscheinlichkeit steigern, dass Kandidat*innen wichtige Nachrichten lesen.
Obwohl SMS-Nachrichten sich unter HR-Expert*innen schnell zu einem Standardkommunikationsmittel entwickelt haben, sollten Sie sich unbedingt mit den SMS-Regeln vertraut machen, bevor Sie Ihrem Team den Startschuss geben. SHRM hat dafür die folgenden drei Richtlinien definiert:
1. Holen Sie zunächst die Erlaubnis der Empfänger*innen ein. Senden Sie SMS nicht unaufgefordert an Kandidat*innen.
2. Halten Sie sich kurz. SMS eignen sich am besten für automatisierte Benachrichtigungen mit logistischen Informationen, z. B. Termine und Veranstaltungsorte von Vorstellungsgesprächen, oder für kurze Rückfragen. Verwenden Sie für längere Gespräche E-Mails oder Telefonanrufe.
3. Achten Sie auf einen professionellen Umgang. Vermeiden Sie Emojis und Abkürzungen in SMS an Jobsuchende. Denken Sie daran: Die SMS und anderen Nachrichten Ihres Teams sollten immer Ihre Marke widerspiegeln.
Seien Sie flexibel
Eine weitere potenzielle Lösung für das Job Ghosting kann ein flexibles Terminangebot für Kandidat*innen sein, einschließlich Abend- und Wochenendterminen. Wenn Sie versuchen, sich an die Verfügbarkeit von Kandidat*innen anzupassen, vereinbaren Jobsuchende mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Vorstellungsgespräch, selbst wenn ihre aktuellen Arbeitszeiten kein persönliches Gespräch zulassen.
Aufgrund der Zunahme an Remote-Stellen und dem Wunsch nach zeitlicher und örtlicher Ungebundenheit sind die Mitglieder Ihres HR-Teams möglicherweise bereit, ihre Arbeitszeiten anzupassen, um diese Vorstellungsgespräche zu ermöglichen. Zum Beispiel könnte ein Teammitglied ein oder zwei Tage die Woche später anfangen und dafür abends kurze Telefonate zwecks Rücksprache mit den Kandidat*innen führen.
Online-Vorstellungsgespräche sind ebenfalls eine gute Maßnahme gegen das Job Ghosting, selbst wenn Ihr Team bereits wieder im Büro arbeitet. In einer Indeed-Umfrage zur Erhebung der sich ändernden Präferenzen hat mit 61 % die große Mehrheit der Teilnehmer*innen angegeben, dass sie eine Mischung aus online und persönlich abgehaltenen Vorstellungsgesprächen vorzieht.
Im Großen und Ganzen geht es darum, sich in die Lage der Jobsuchenden zu versetzen. Was würden Sie sich von Personaler*innen und Personalverantwortlichen derzeit wünschen? Wodurch würde sich ein Unternehmen von Wettbewerbern abheben und was würde Sie dazu bewegen, am Ball zu bleiben und ein Stellenangebot anzunehmen? Diese Kommunikationsstrategien sind eine wichtige Ergänzung Ihrer Maßnahmen gegen ein mögliches Job Ghosting.