Wer „5 fleißige Männer oder 1 Frau“, „einen PR-Fuzzi / eine PR-Trulla“ oder eine „Eierlegende Wollmilchsau (m/w/d)“ sucht, kann sicher sein, dass die Stellenanzeige im Internet die eine oder andere Runde dreht. Häufig locken solche Jobangebote dann auch noch mit Details wie einem „sadistischen Chef“ oder „miserabler Bezahlung“.
Humor, Augenzwinkern und eine Prise Sarkasmus sind sicher nicht die schlechtesten Zutaten für kreative Stellenanzeigen. Ob die so generierte Aufmerksamkeit auch dazu führt, passende Fachkräfte zu finden, ist eine andere Frage.
Besser schlechte Publicity als gar keine?
Im September 2022 ging zum Beispiel laut Business Insider die Stellenanzeige einer Detmolder Edeka-Franchise-Filiale viral. Der Betreiber suchte in einer Regionalzeitung „Mitarbeiter (m/w/d … usw. usf.)“, die „nicht komplett verpeilt“, „nicht alle 3 Minuten WhatsApp schreiben oder Insta checken“, „die Uhr lesen und freundlich ‚Guten Tag‘ und ‚Auf Wiedersehen‘ sagen können“ und „nicht beim kleinsten Kratzen im Hals eine Woche krank feiern“ (sic!).
Im Netz sorgte das für Lacher, aber auch für Kritik – etwa daran, dass sich da jemand über Geringqualifizierte lustig mache und Krankheiten verharmlose. Die Edeka-Zentrale teilte mit, es liege dem Marktbetreiber fern, „jemanden dadurch zu kritisieren oder zu diskriminieren“. Das Ziel, „mit einem Augenzwinkern Aufmerksamkeit“ zu erregen, habe er aber erreicht, die Zahl der Bewerbungen sei „deutlich höher als bei Standardtexten“ gewesen.
Gilt beim Recruiting also der Marketing-Mythos „Schlechte Publicity ist besser als gar keine“? Ähnlich wie es die Düsseldorfer Marketing-Agentur Markenzeichen für Produkte beschreibt, können offenbar auch kleine Arbeitgeber von negativen Schlagzeilen profitieren – einfach, weil sie und die offene Stelle bekannt werden. Bei großen Unternehmen dagegen überwiegt leicht die Gefahr der Rufschädigung dem potenziellen Nutzen einer Kontroverse – nicht zuletzt, weil es schwerfällt, professionellen HR-Abteilungen einen Fehlgriff als unbedarften Fauxpas durchgehen zu lassen.
Was sagt eine Anzeige über den Absender aus?
Dazu passt, dass bekannte Unternehmen eher mit zurückhaltenden Recruiting-Kampagnen in Erscheinung treten. Aber mit 08/15-Mitteln haben auch sie es schwer, die besten Talente vom Arbeitsmarkt zu fischen. Denn selbst für große und beliebte Arbeitgeber gilt das Verdikt des Psychologen Paul Watzlawick: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“
Wie man eine eher klassische Stellenausschreibung mit zeit- und branchengemäßer Du-Ansprache und einer Prise Humor aufpeppt, zeigt das Kölner Modelabel „Armed Angels“, das in seinen Stellenanzeigen die Sektion „Darauf kannst Du Dich freuen“ stets mit dem Punkt schließt: „Kein Dresscode – komm einfach, wie Du bist (Kleidung ist beliebig, aber erwünscht).“
Recruiting-Kampagnen als Teil des Employer-Brandings
Dass Design und Ansprache zur Marke passen, scheint selbstverständlich. Denn, wie die Herausgeber der Fachpublikation Stellenanzeigen als Instrument des Employer Branding in Europa (Springer VS) es ausdrücken, erfüllen Jobangebote die „vorgeschaltete Nebenfunktion“, ein passendes positives Image vom Unternehmen zu vermitteln.
Im Vergleich zur Produktwerbung, die „bewusst wortspielerisch, humorvoll und kreativ“ Grenzen ausreize oder gar verletze, schreibt Marcus Stumpf, müssten sich Jobbeschreibungen um der Seriosität Willen stärker an Textsortenkonventionen halten. Das leuchtet insofern ein, als die Arbeitssuche für die meisten Menschen von deutlich größerer Tragweite ist, als ein spontanes Shopping-Erlebnis.
Die Reifen- und Werkstattkette Vergölst macht vor, wie man geneigte Rezipient*innen mit ein wenig werbischem Wortwitz und Liebe zum Detail emotional ansprechen kann, ohne dabei unseriös zu wirken. Mit solchen Kampagnen können kreative Image-Anzeigen als erster Schritt in einem Recruiting-Funnel dienen.
Welche Konventionen gelten wo?
Gleichwohl scheint die Kreativität der Sozialen Medien die „Textsortenkonventionen“ bereits deutlich aufgeweicht zu haben. Ein Beispiel dafür ist der Instagram-Post der Boutique Beehive, der vor allem mit großer Ästhetik und knalligen Farben Blicke auf sich aufmerksam macht. Der Text gibt lediglich Minimalinformationen, wirkt aber sicher im gegebenen Kontext seriös genug, um potenzielle Kandidat*innen für die Arbeit im Shop zu begeistern.
Im direkten Vergleich ist das Youtube-Video des Pflegedienstleisters Rehcura weniger trendig. Innerhalb der Gesundheitsbranche wirkt es jedoch angemessen, da es hier weniger um Ästhetik geht, als um die inneren Werte der Menschen – und zwar der Angestellten.
Etwas unkonventioneller wiederum suchte die Wirtschaftszeitschrift Impulse auf Pinterest „Projektmanager mit Marketingerfahrung“ mit dem Satz: „Kreativ-Köpfe in zähmende Hände zu geben“. In der ausführlichen Jobbeschreibung folgt dann die Beschreibung eines typischen Arbeitstags im Plauderton.
Kenne Deine Zielgruppe!
Branche, Medium, aber auch das Berufsbild dürfen mitbestimmen über den Grad und die Richtung der Kreativität. Die Freisinger Metzgerei Hack serviert mit Slogans wie „Berufswunsch: ‚Irgendwas mit Tieren‘“ und „Du willst mit coolen Säuen abhängen?“ echte Schmankerln für Liebhaber*innen von Fleisch und schwarzem Humor. Vegetarier und zartbesaitete Tierfreunde könnten sich davon abgestoßen fühlen. Allerdings darf man getrost davon ausgehen, dass sie ohnehin nicht zum potenziellen Bewerberkreis gehören.
Apropos: Es gibt diverse Möglichkeiten, den Bewerberkreis – freiwillig – einzugrenzen. Eine besteht darin, die Ausschreibung mit einer (vermeintlich) jobtypischen Aufgabe zu verknüpfen. So hat Microsoft einmal „Problem Solvers“ aufgerufen, sich unter der folgenden Telefonnummer zu bewerben: 01.(y²-x).(y²-10²)x10 mit x=24 und y=30. Und das Fuldaer IT-Systemhaus bytewerk fordert junge Talente mit dem Kreativ-Wettbewerb Tekkie Award heraus.
Doch auch mit der Wahl des Mediums kann man die Zielgruppe fokussieren: So hat Edeka, diesmal die Dachorganisation, Werbe- und Recruiting-Kampagnen für Auszubildende mit Hilfe von Influencern auf Tiktok durchgeführt.
Auch bei kreativen Stellenanzeigen die Basics im Blick behalten!
Bei aller Kreativität sollten die wesentlichen Punkte von Stellenanzeigen nicht unter den Tisch fallen: Ein aussagekräftiger Jobtitel und eine adäquate Tätigkeitsbeschreibung sollten – spätestens hinter einem Link oder einem QR-Code – aufzufinden sein. Das gilt umso mehr in Jobportalen wie Indeed und anderen Online-Anzeigen, denn gewisse SEO-Kriterien müssen erfüllt sein, damit sie Jobsuchenden überhaupt angezeigt werden. Nach einer Stelle als „Eierlegende Wollmilchsau“ wird schließlich kaum jemand suchen.
Letztlich lohnt es sich, verschiedene Wege auszuprobieren. Dann lässt sich gut messen, welche Strategie am besten funktioniert. Worauf es noch ankommt, ist in den 10 Tipps für eine erfolgreiche Stellenanzeige von LEAD zusammengefasst. Drei Schlüsselfragen für zielorientiertes Recruiting beantworten wir hier.