Florian Behn beschäftigt sich seit dem Jahr 2007 mit dem Recruiting-Markt und ist Geschäftsführer von GOhiring, einer Software-Lösung für automatisiertes Jobposting und Recruiting Analytics. Das Unternehmen ist seit der Gründung im Jahr 2012 zu 100% remote.
Was zunächst als Reaktion auf die Corona-Pandemie startete, hat sich in vielen Unternehmen mittlerweile als neue Arbeitsform etabliert: Angestellte arbeiten ortsunabhängig von zuhause aus oder aus dem Ausland. Laut einer aktuellen Umfrage aus dem Jahr 2022 möchten gar 97 % aller Arbeitnehmer*innen – zumindest gelegentlich – remote arbeiten.
“Remote Work” hat sich seit 2020 in der allgemeinen Wahrnehmung von einer Krisenstrategie zu einem stark nachgefragten Mitarbeiter*innen-Benefit entwickelt. Aber was genau verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff “Remote Work”?
Im Folgenden möchte ich einen guten Einblick in das Thema “Remote Work” geben, mit einigen Missverständnissen rund um den Begriff aufräumen – und 6 wertvolle Praxis-Tipps aus über 12 Jahren Remote-Setup bei GOhiring teilen.
Der Begriff “Remote Work” lässt sich am ehesten mit “Fernarbeit” übersetzen. Denn: Im Gegensatz zur klassischen Büroarbeit absolviert der oder die Arbeitnehmer*in den Job in remote arbeitenden Unternehmen von einem beliebigen Ort aus. Die Zusammenarbeit geht digital vonstatten.
Die meisten remote arbeitenden Unternehmen setzen zudem auf flexible Arbeitszeiten statt 9-to-5. Remote Work ist somit eine Arbeitsform mit einer ergebnis- statt zeitorientierten Arbeitsphilosophie.
Remote Work ist per Definition:
- Ortsunabhängig: Arbeitnehmer*innen entscheiden selbst, von welchem Ort aus sie arbeiten – sei es von Zuhause aus, aus dem Ausland oder aus einem angemieteten Büro heraus, beispielsweise einem Co-working Space.
- Zeitflexibel: Feste Arbeitszeiten weichen einer ergebnisorientierten Arbeitsweise. Durch gute Kommunikation, sinnvolle Prozesse und die besten Tools sorgen Remote-Unternehmen dafür, dass flexible Arbeitszeiten nicht nur die Zufriedenheit steigern, sondern auch die Produktivität.
Welche Arten von Remote Work gibt es?
Viele Unternehmen sowie Arbeitnehmer*innen unterliegen dem Irrtum, dass “Remote Work” und “Homeoffice” Synonyme seien. Dabei ist das Homeoffice nur eine Form von remote Arbeit – wenn auch die populärste.
Diese typischen Arten von remote Arbeit gibt es:
- Homeoffice: Hierbei arbeiten Arbeitnehmer*innen von Zuhause aus, sind während der Arbeitszeit also in privaten Räumlichkeiten. Im Unterschied zur Telearbeit ist der Begriff des Homeoffice nicht klar definiert. Die Voraussetzungen für einen Telearbeitsplatz sind gesetzlich geregelt und betreffen vor allem die Ausstattung des Arbeitsplatzes mit Mobiliar sowie Arbeitsmitteln.
- Mobiles Arbeiten: Der oder die Arbeitnehmer*in arbeitet komplett ortsunabhängig, zum Beispiel aus dem Ausland. Die einzige Voraussetzung für einen mobilen Arbeitsplatz ist funktionierende Internetverbindung sowie ein Endgerät wie ein Laptop oder Macbook.
- (Co-)Working Space: Es besteht die Möglichkeit, ein Büro beziehungsweise einen Arbeitsort zu mieten – beispielsweise einen Schreibtisch in einem Co-Working Space. Hier wird der Unterschied zwischen remote Arbeit und Homeoffice deutlich – wenn sich Arbeitnehmer*innen in einem Co-Working Space einmieten, um von dort aus zu arbeiten, sind sie schließlich nicht im Homeoffice.
In remote organisierten Unternehmen erledigen die Arbeitnehmer*innen ihre Aufgaben demzufolge ortsunabhängig – im Homeoffice, unter Palmen im Ausland oder in einem Büro beziehungsweise an einem gemieteten Schreibtisch in einem Co-Working Space.
Erfolgreich remote arbeiten: 6 Praxis-Tipps
Remote arbeitende Unternehmen sind im Vergleich zu konventionellen Büro-Unternehmen mit neuen Herausforderungen konfrontiert, die sich aus der orts- und zeiflexiblen Arbeitsphilosophie ergeben.
Unternehmen müssen diese Herausforderungen meistern, um das große Potenzial von Remote Work freizusetzen und von den Vorteilen dieser Arbeitsform zu profitieren.
Denn: Es gibt bei remote Arbeit klare “Do’s and Don’ts” der Zusammenarbeit, die über den Erfolg oder Misserfolg des Modells entscheiden. Im Folgenden teilen wir 6 wichtige Praxis-Tipps aus über 12 Jahren Erfahrung als remote arbeitendes Unternehmen.
1. Asynchrones Arbeiten
Einfach gesagt, bedeutet asynchrones Arbeiten: Ich arbeite an einer Aufgabe und dokumentiere die Fortschritte. Wenn ich Hilfe oder Feedback benötige, informiere ich den oder die zuständige Kolleg:in – und arbeite an einer anderen Aufgabe weiter, bis ich Rückmeldung von der oder dem informierten Kolleg*in erhalten habe.
Eine funktionierende asynchrone Arbeitsweise ist gewissermaßen das Fundament eines remote arbeitenden Unternehmens.
Team-Mitglieder müssen sich während der Kommunikation in einem asynchronen Setup fortwährend folgende Fragen stellen:
- Ist meine Kommunikation so klar, dass beim Rezipienten keine Fragen offen bleiben?
- Nutze ich für die Kommunikation das geeignete Format (Screenrecording, Nachricht, Voice-Message)
- Sind alle relevanten Stakeholder informiert?
- Gebe ich genug Kontext, sodass alle wichtigen Inhalte direkt ersichtlich sind?
- Habe ich den Status des Projektes ausreichend dokumentiert, sodass jede*r sich innerhalb kürzester Zeit einen Überblick verschaffen kann?
Eine gute Dokumentation ist in remote und asynchron arbeitenden Unternehmen besonders wichtig, damit die Übergabe von Aufgaben reibungslos funktioniert. Die Dokumentation macht das Unternehmenswissen, das in den Köpfen der Mitarbeiter*innen ist, transparent für alle Team-Mitglieder sichtbar.
Aus diesem Grund verlagert sich die Kommunikation in asynchron arbeitenden Teams in das Projektmanagement-Tool – wichtige zeitkritische Fragen, die eine schnelle Kommunikation verlangen, lassen sich darüber hinaus via Messaging-App klären.
Aber: Wer in einem asynchronen Setup eine Nachricht verfasst, darf nicht damit rechnen, dass diese innerhalb kürzester Zeit beantwortet wird. Stattdessen entsteht ein konstanter, transparenter Kommunikations-Flow im Projektmanagement-Tool.
Ein großer Vorteil des asynchronen Arbeitens: Alle Team-Mitglieder allokieren ihre Ressourcen eigenverantwortlich und so, dass die einzelnen Projekte bestmöglich vorangehen.
Voraussetzung für ein funktionierendes asynchrones Umfeld sind deshalb klar definierte Prozesse und eine Ownership-Mentalität sowie ein hohes Verantwortungsbewusstsein der einzelnen Mitarbeiter:innen. Aus diesem Grund verlangt asynchrones Arbeiten – und somit remotes Arbeiten – von den Teams eine gut ausgebildete Arbeitskultur.
2. Hilfreiche Tools
In den letzten 12 Jahren haben wir bei GOhiing einige Tools etabliert und manche auch wieder verworfen – bis wir das für uns beste Tool-Ökosystem geschaffen haben, das unsere remote Arbeit perfekt unterstützt. Unser Learning: Die richtigen Tools zahlen ganz konkret auf den Erfolg eines remote arbeitenden Unternehmens ein.
- Messaging: Unsere Messaging-App ist weit mehr als nur ein Chat-Tool – sie ist der Dreh- und Angelpunkt für einen Großteil unserer internen Kommunikation. Hier begrüßen wir uns morgens, feiern gemeinsame Erfolge, beantworten zeitkritische Fragen von Kolleg*innen, teilen Eindrücke von Messen oder Urlauben – und verteilen Lob und Anerkennung. Unserer Erfahrung nach ist es unheimlich wichtig, einen vitalen digitalen Ort zu schaffen, an dem alle Mitarbeiter*innen zusammenkommen und sich gegenseitig teilhaben lassen können. Ein schöner Nebeneffekt: Wir versenden intern keine einzige E-Mail.
- Projektmanagement: Ein gutes Projektmanagement-Tool ist neben der Messaging-App das Herz der remote-Organisation – es macht eine effektive und effiziente asynchrone Arbeitsweise überhaupt erst möglich. Projekte werden nämlich eben nicht ineffizient per E-Mail untereinander organisiert, sondern in einer dafür geeigneten Software-Lösung. Die Dokumentation und Kommunikation findet im Projektmanagement-Tool statt, sodass alle Mitarbeiter*innen ganz transparent einsehen können, woran einzelne Teams arbeiten – wichtige Informationen lassen sich so mit wenigen Klicks abrufen.
- Screen-Recording: Es mag auf den ersten Blick wie eine Kleinigkeit wirken: Allerdings kann ein gutes Screen-Recording Tool die Kommunikation maßgeblich verbessern. Per Video lassen sich Bugs schnell dokumentieren, Fragen unkompliziert klären und Inhalte effizient kommunizieren.
- Cloud-basierte Dokumente: Alle erstellten und geteilten Dokumente lassen sich zentral in der Cloud ablegen, sodass alle Mitarbeiter*innen sofort auf alle relevanten Inhalte zugreifen können. Die meisten remote arbeitenden Unternehmen verzichten auf lokale Dateien, auf die nur eine oder wenige Personen zugreifen können. Kurz gesagt: In remote arbeitenden Unternehmen ist die Arbeitsweise dezentral und die Organisation zentral.
3. Inspirierende Offsites
“In remote arbeitenden Unternehmen sieht man die Kolleg*innen nie” – das ist ein weit verbreiteter Mythos. Remote-Unternehmen, die das Thema Unternehmenskultur ernst nehmen, nutzen das Potenzial und die Bedeutung der persönlichen Begegnung.
Bei sogenannten Offsites treffen sich alle Mitarbeiter*innen regelmäßig an einem Ort, um einige Tage miteinander zu verbringen. Bei GOhiring veranstalten wir diese Offsites zweimal im Jahr. Alle Team-Mitglieder tun alles, um an diesen schönen, inspirierenden und produktiven Events in “Workation-Atmosphäre” teilzunehmen.
Ein gutes Offsite schafft die perfekte Mischung aus entspannter Atmosphäre, spannenden Team-Aktivitäten und produktiven Work-Sessions. Unserer Erfahrung nach können Offsites eine unheimliche Kraft in puncto Teamzusammenhalt und Unternehmenskultur entfalten.
4. Optimierter Arbeitsplatz
Es mag banal klingen, aber: Auch wer aus dem Homeoffice oder dem Ausland arbeitet, benötigt ein gutes Arbeitsumfeld.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für ungebremstes remote Arbeiten ist schnelles, zuverlässiges Internet. Es gibt nichts Nervigeres als eine instabile Internetverbindung im Meeting – und das gilt sowohl für Betroffene als auch für die Kolleg*innen auf der anderen Seite des Screens, die nur Wortfetzen hören und Bildpixel sehen.
Viele Menschen unterschätzen außerdem die Bedeutung eines guten Bürostuhls sowie -tisches. Letzterer ist im besten Fall höhenverstellbar und ermöglicht so, dem womöglich eher bewegungsarmen Arbeitsalltag entgegenzuwirken.
Manchmal kann es auch sinnvoll sein, ein extra Büro beziehungsweise einen Schreibtisch in einem (Co-)Working Space anzumieten – insbesondere, wenn aufgrund von Platzmangel eine ungestörte remote Arbeit von Zuhause aus nicht möglich ist.
5. Durchdachte Prozesse
Den spontanen Plausch mit Kolleg*innen über den Schreibtisch hinweg oder in der Kaffeeküche gibt es in remote arbeitenden Unternehmen zwar auch in digitaler Form. Allerdings nicht in der Frequenz, wie es in Office-first Unternehmen üblich ist. Die Kommunikation in Remote-Unternehmen ist funktionaler und zielgerichteter, da sie meist aus einem konkreten Bedarf heraus oder für einen klar definierten Anlass vonstattengeht.
Damit fällt eine große Menge an “ich bräuchte mal kurz”-Kommunikation weg, die in vielen Büro-Unternehmen eher die Regel ist als die Ausnahme. Das bedeutet: Gibt es lückenhafte oder ineffiziente Prozesse, lässt sich dies in remote arbeitenden Unternehmen nicht über diese Form von ad-hoc Kommunikation ausgleichen.
Aus diesem Grund müssen Remote-Unternehmen eine gewisse Prozess-Disziplin leben, um für alle Mitarbeiter*innen einen guten Flow zu erzeugen. Das Onboarding eines neuen Team-Mitglieds bedarf in Remote-Unternehmen beispielsweise einer besonders sorgfältigen Planung – alle Schritte im Onboarding-Prozess sollten klar definiert und kommuniziert sein.
6. Commitment
Voraussetzung für den Erfolg eines Remote-Konzepts ist, dass sich Unternehmen auf die orts- und zeitunabhängige Arbeitsform commiten. Es bedarf einer gelebten Kultur, in der alle Prozesse und Strukturen “remote” gedacht werden.
Was nicht funktioniert: Wenn einige Manager*innen der remote Arbeit zähneknirschend zustimmen, gleichzeitig aber zu wenig dafür tun, dass die ortsunabhängige Arbeit gelingen kann.
Remote-first heißt, die orts- und zeitunabhängige Arbeitsform als “Default” zu begreifen – also als den Normalzustand. Es gibt selbstverständlich auch Unternehmen, die erfolgreiche Hybrid-Modelle etabliert haben.
Unsere Erfahrung ist allerdings: Remote funktioniert besonders gut, wenn alle Mitarbeiter:innen orts- und zeitunabhängig arbeiten.
Was nehmen wir mit?
“Remote Work” ist kein Trend, sondern wird auch zukünftig fester Bestandteil der Arbeitslandschaft bleiben. Unternehmen können diese Entwicklung für sich und ihr Recruiting nutzen, indem sie orts- sowie zeitunabhängiges Arbeiten als echten Benefit verstehen – und anbieten.
Wichtig dabei: Ein erfolgreiches Remote-Setup kann nur entstehen, wenn Unternehmen die richtigen Rahmenbedingungen dafür bieten. Die Form muss dabei der Funktion folgen – die Rahmenbedingungen sollten also auf “Remote Work” optimiert sein. Dazu gehören neben einem echten Commitment für Remote: asynchrones Arbeiten, die besten Tools, verbindende Offsites, ein optimierter Arbeitsplatz und gute Prozesse.
Unser Beispiel bei GOhiring zeigt: Remotes Arbeiten ist sowohl gut für die Produktivität als auch für die Work-Life-Balance. Menschen sehnen sich nach einer Arbeitsform, die es ihnen erlaubt, den Job mit dem Privatleben zu vereinbaren – und nicht andersherum. Unternehmen können diese Entwicklung für sich nutzen und remote Arbeit ermöglichen, um erstens neue Talente zu gewinnen und zweitens Mitarbeiter*innen zu halten.