Das Recruiting neuer Mitarbeitenden stellt Arbeitgeber angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels vor enorme Herausforderungen. Im dritten Quartal 2022 blieben bundesweit 1,82 Millionen Stellen unbesetzt – ein Anstieg um 31 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. „Trotz aller derzeitigen wirtschaftlichen Unsicherheiten wird der Wettbewerb um die besten Talente auch im nächsten Jahr große Anstrengungen der Unternehmen erfordern“, prognostiziert Dr. Annina Hering, Economist im Indeed Hiring Lab. Mit den richtigen Recruiting-Maßnahmen können sich Arbeitgeber bei der Personalsuche einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen. Im folgenden Artikel erhalten Sie sieben hilfreiche Tipps für die Akquise kompetenter Mitarbeiter*innen.
1. Setzen Sie auf eine zielgruppenspezifische Ansprache
Um potenzielle Arbeitskräfte dort zu erreichen, wo sie sich tatsächlich befinden, nutzen die meisten Unternehmen einen Mix aus mehreren Recruiting-Maßnahmen. Als besonders vielversprechend erweisen sich die folgenden Kanäle:
Jobbörsen
Eine Benchmark-Studie aus dem Jahr 2022 identifiziert Jobbörsen als das mit Abstand am meisten genutzte Mittel bei der Mitarbeitersuche. Der größte Vorteil der Online-Portale liegt in ihrer globalen Reichweite. Trotz ihres hohen Stellenwerts sollten Jobplattformen nur eine Komponente im Recruiting-Methodenmix darstellen, weil sich vor allem Führungskräfte und die anspruchsvollen Nachwuchstalente der Generation Z häufig eine individuellere Ansprache wünschen.
Mitarbeiterempfehlungen
Auf Platz 2 der wichtigsten Recruiting-Maßnahmen landeten im Benchmark persönliche Kontakte. Durch den Einsatz der eigenen Mitarbeitenden als Markenbotschafter*innen können Unternehmen ihren Ruf als attraktiver Arbeitgeber verbessern und neue Talente erreichen, die laut einer Studie der Universität Bamberg besonders loyal sind und gut zur Unternehmenskultur passen. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich unberücksichtigte Empfehlungen negativ auf die Mitarbeitermoral auswirken, weil sich die Vermittelnden nicht ernstgenommen fühlen.
Active Sourcing
Die Studie der Universität Bamberg zeigt darüber hinaus, dass die Hälfe der Jobsuchenden lieber von einem Unternehmen angesprochen werden möchte, als sich selbst zu bewerben. Eine Befragung der Forsa und der Talent-Acquisition-Plattform onlyfy bestätigt, dass sogenanntes Active Sourcing vor allem in großen Unternehmen und bei der Besetzung von Führungspositionen eine immer wichtigere Rolle spielt. Die Direktansprache eignet sich vor allem für Jobs mit sehr spezifischen Anforderungsprofilen.
Social-Media-Recruiting
Laut IAB-Stellenerhebung 1/2022 steigt die Bedeutung sozialer Medien beim Recruiting neuer Mitarbeiter*innen rasant. Während 2016 gerade einmal 1,2 Prozent der freien Stellen über die Nutzung von Online-Netzwerken besetzt wurden, waren es im Jahr 2021 bereits rund 7 Prozent. Die Plattformen eignen sich hervorragend, um mit glaubwürdigem Content eine authentische Unternehmenskultur zu kommunizieren, dadurch mit den passenden Talenten in Kontakt zu treten und eine langfristige emotionale Bindung aufzubauen.
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2. Begeistern Sie Talente mit einem starken Employer Branding
Nicht nur das Wo kann über den Erfolg der Personalsuche entscheiden, sondern auch das Wie. Jede Zielgruppe stellt nämlich andere Erwartungen an einen attraktiven Arbeitgeber. Die Studie „Wie Unternehmen trotz Fachkräftemangel Mitarbeiter finden“ belegt, dass über drei Viertel der deutschen Firmen ein zielgruppengenaues Employer Branding als wichtige Recruiting-Maßnahme ansehen. Heben Sie bei der Kommunikation Ihrer Arbeitgebermarke die Aspekte hervor, die für den gewünschten Bewerberkreis eine ausschlaggebende Rolle spielen, und betonen Sie diese auch in Stellenanzeigen. Achten Sie darauf, dass junge Nachwuchskräfte andere Prioritäten als die Generationen vor ihnen setzen. Während bei der Entscheidung für einen bestimmten Arbeitgeber das Gehalt zunehmend an Stellenwert verliert, rücken Themen wie Diversität, Inklusion und gesellschaftliches Engagement ins Zentrum des Interesses, wie unter anderem aus der Studie „Randstad Employer Brand Research“ hervorgeht. Auch die Bedeutung von Flexibilität und einer ausgeglichenen Work-Life-Balance sollte beim Mitarbeiter-Recruiting nicht unterschätzt werden.
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3. Schöpfen Sie sämtliches Potenzial auf dem Arbeitsmarkt aus
Indem Arbeitgeber Werte wie Inklusion und Gleichstellung in die Unternehmenskultur einbinden, können sie nicht nur ihren Ruf bei der anspruchsvollen Generation Z verbessern, sondern gleichzeitig neue Potenziale auf dem umkämpften Bewerbermarkt erschließen. In Branchen mit einem niedrigen Frauenanteil beispielsweise kann sich bewusstes Gendern in Stellenanzeigen auszahlen. Denn obwohl die Erwerbsquote von Frauen in Deutschland seit den Neunzigern stetig steigt, arbeiten nur etwa 35 Prozent der weiblichen Beschäftigten in Vollzeit, während knapp 20 Prozent gar nicht berufstätig sind. Viel ungenutztes Potenzial bietet darüber hinaus die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, von denen nicht einmal die Hälfte der Erwerbsfähigen über eine Festanstellung verfügt. Auf Talente aus dem Ausland setzen beim Recruiting neuer Mitarbeiter*innen laut Fachkräftemigrationsmonitor bisher nur rund 17 Prozent der Unternehmen, obwohl der fachliche und kulturelle Gewinn einer vielfältigen Belegschaft meist größer ist als befürchtete sprachliche und bürokratische Hürden. Auch die immer noch erstaunlich weit verbreiteten Vorurteile gegenüber älteren Arbeitnehmenden sollten Personalverantwortliche angesichts des Fachkräftemangels dringend aus ihren Köpfen verbannen. Je diverser ein Team aufgestellt ist, desto umfassender ist in der Regel auch der Wissens- und Erfahrungsschatz. Das kann die Innovationsfähigkeit und Produktivität steigern und Ihrem Unternehmen entscheidende Wettbewerbsvorteile verschaffen.
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4. Vereinfachen Sie den Bewerbungsprozess
Über die Hälfte der Jobsuchenden sieht Optimierungsbedarf beim Einstellungsverfahren von Unternehmen. Im Greenhouse Candidate Experience Report verneinten rund 70 Prozent der Befragten ihre Bereitschaft, für eine Online-Bewerbung mehr als 15 Minuten aufzubringen. 58 Prozent erwarten eine Rückmeldung innerhalb einer Woche. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sollten Arbeitgeber beim Recruiting neuer Mitarbeiter*innen möglichst standardisierte und automatisierte Methoden nutzen. Für einen besonders leichten Einstieg ins Bewerbungsverfahren empfiehlt sich beispielsweise eine Kontaktaufnahme per WhatsApp. Ermöglichen Sie einfache One-Click-Bewerbungen und verzichten Sie auf Recruiting-Klassiker wie Motivationsschreiben und andere weniger relevante Unterlagen. Ein schlanker Prozess kann nicht nur die Abbruchquote verringern, sondern entlastet zudem die Personalabteilung. Auch das Risiko von Job-Ghosting lässt sich durch ein vereinfachtes Bewerbungsverfahren reduzieren. Denn je schneller Entscheidungen getroffen und klar kommuniziert werden, desto weniger Zeit bleibt den Jobsuchenden, sich nach Alternativen auf dem Arbeitsmarkt umzusehen.
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5. Nutzen Sie die Chancen der Digitalisierung
In einer Studie zum Thema Recruiting-Strategien aus dem Jahr 2018 spielen stark datengetriebene Technologien wie Matching-Tools, Chatbots und KI-basierte Analysen noch eine untergeordnete Rolle. Allerdings dürfte ihre Bedeutung für die Personalakquise in Zukunft weiter steigen. Verstärkt durch die Corona-Pandemie verzeichneten digitale Technologien in Unternehmen im Laufe der letzten Jahre einen immensen Zuwachs. Von diesem Schub sind Recruiting-Maßnahmen nicht ausgenommen. Als nützlich erwiesen sich bei der digitalen Personalsuche bereits 2018 vor allem mobile Bewerbungsmöglichkeiten, zielgruppenspezifische Online-Werbung durch smarte Algorithmen, suchmaschinenoptimierte Stellenanzeigen, Tools zur Kompetenzmessung oder Unternehmensbewertungen. Auch indirekt kann die Digitalisierung zur Gewinnung neuer Talente beitragen, indem sie die Arbeitgeberattraktivität verbessert. Laut einer Randstad-Studie ist die Möglichkeit zum Homeoffice für 43 Prozent der Deutschen eines der wichtigsten Kriterien im Bewerbungsprozess. Ohne umfassende Digitalisierung ist Remote-Work in weiten Teilen undenkbar.
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6. Vernachlässigen Sie den Faktor Mensch nicht
Trotz digitaler Technologien dürfen Arbeitgeber die Menschen hinter den Bewerbungen nicht aus den Augen verlieren. „Die Unternehmen, bei denen Menschlichkeit, Spaß bei der Arbeit und Gemeinnützigkeit im Vordergrund stehen, steigern ihre Chancen auf Top-Talente“, erklärt Manuel Diaz, Employer Brand Strategist bei Intel, in einem Indeed-Interview. Doch wie lässt sich diese Erkenntnis im Recruitingprozess konkret umsetzen? Zunächst sollte das Auswahlverfahren auf jeder Stufe von Respekt und Transparenz geprägt sein. Kommunizieren Sie schnell und verbindlich, geben Sie unmittelbares Feedback und treffen Sie eindeutige Aussagen zu den Arbeitsbedingungen. Die soziale Interaktion im Bewerbungsprozess ist nicht zu ersetzen. Erst im persönlichen Gespräch lässt sich beurteilen, ob Bewerber*innen tatsächlich zum Unternehmen passen und neben den fachlichen Qualifikationen auch die nötigen Soft Skills für den Job mitbringen, die laut Jobmonitor der Bertelsmann Stiftung immer wichtiger werden.
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7. Verbessern Sie die Mitarbeiterbindung
Statt neue Fachkräfte einzustellen, kann es sich als zeitsparender und rentabler erweisen, die bestehende Belegschaft möglichst lange im Unternehmen zu halten. Laut der bereits erwähnten onlyfy-Umfrage glauben knapp zwei Drittel der Personalverantwortlichen in Deutschland, dass Mitarbeiterbindungsmaßnahmen 2023 an Bedeutung gewinnen. Als ausschlaggebende Gründe für den Verbleib bei einem Arbeitgeber werden Arbeitsatmosphäre, Unternehmenskultur, Jobzufriedenheit, Weiterbildungsmöglichkeiten und eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben genannt. Allerdings litt die Mitarbeiterbindung der deutschen Erwerbstätigen stark unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Laut Gallup Engagement Index fühlen sich nur 17 Prozent der Beschäftigten ihrem Arbeitgeber emotional verbunden. Dieser hohen Wechselbereitschaft sollten Unternehmen unbedingt mit den passenden Maßnahmen entgegensteuern. Investitionen in Betriebsklima, Personalentwicklung und andere Benefits sind für langfristigen Markterfolg mindestens genauso entscheidend wie das Recruiting geeigneter Mitarbeiter*innen.