2023 war kein leichtes Jahr für deutsche Personalabteilungen. Der Fachkräftemangel, die instabile Wirtschaftslage und die daraus resultierenden Budgetkürzungen erschwerten die Suche nach neuen Talenten und stellten den Bereich Human Resources vor große Herausforderungen. Einige Unternehmen sind durch die Unwägbarkeiten der letzten Monate derart verunsichert, dass sie die Personalbeschaffung trotz der allgegenwärtigen Engpässe vorübergehend auf Eis legen. Doch ist das die richtige Strategie? Oder kann sich Recruiting gegen den Trend vielleicht sogar auszahlen?

Recruiting in wirtschaftlich unsicheren Zeiten

Wahrscheinlich befindet sich Ihr Unternehmen zum Jahreswechsel im absoluten Ausnahmezustand. Ziele müssen erreicht und wichtige Projekte zum Abschluss gebracht werden. Urlaubs- und krankheitsbedingte Ausfälle können den Druck auf die meist bereits überlastete Belegschaft zusätzlich verstärken. Dazu kommen viele administrative Aufgaben, die noch vor Beginn des neuen Kalenderjahres erledigt werden sollten. Auch die unzähligen Veranstaltungen und Feierlichkeiten während der Vorweihnachtszeit bieten oft mehr Anlass für Stress und Hektik als Grund zur Freude.

Wenn dann auch noch das Budget knapp wird und kaum Spielraum für das bevorstehende Geschäftsjahr lässt, rutscht das Recruiting neuer Talente schnell auf die letzten Ränge in der Prioritätenliste deutscher Unternehmen. Schließlich ist auch 2024 keine Entspannung der wirtschaftlichen Lage in Sicht. Laut Konjunkturprognose des Instituts der deutschen Wirtschaft soll das Bruttoinlandsprodukt weiter schrumpfen und um ein halbes Prozent zurückgehen. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung spricht sogar von deutlichen Wachstumshemmnissen für die kommenden Jahrzehnte. Auf derart ernüchternde Aussichten reagieren Betriebe naturgemäß mit Zurückhaltung, bevor sie noch mehr Ressourcen in die oft kostspielige Personalsuche investieren. Wenn Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten möchten, führt an der Bewältigung des Fachkräftemangels langfristig kein Weg vorbei.

Neues Jahr, neues Glück, neuer Job?

Viele Menschen nehmen den Jahreswechsel zum Anlass, um Bilanz zu ziehen und gute Vorsätze zu fassen. Mehr Ruhe und Entspannung stehen 2024 ganz oben auf der Agenda. In einer Studie der FOM Hochschule gaben 41 Prozent der Befragten an, dass sie im neuen Jahr Stress vermeiden oder zumindest abbauen möchten. Dabei spielt der Beruf eine wesentliche Rolle. Schließlich sei der Job häufig der Hauptauslöser für Stress und Unzufriedenheit, wie Hannah Schade vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund im Zusammenhang mit einer ZDF-Umfrage zu Protokoll gibt.

Laut einem Bericht des Achievers Workforce Institute (PDF) sind über 60 Prozent der Beschäftigten in Deutschland grundsätzlich zu einem Jobwechsel bereit. Doch werden sie das Jahr 2024 tatsächlich mit einem beruflichen Neuanfang beginnen? Vielen Arbeitnehmenden fehlt aufgrund der instabilen Wirtschaftslage schlicht und einfach der Mut oder die Energie, um ihre Vorsätze in die Tat umzusetzen. Die Pandemie, die Rohstoffkrise und der Krieg in der Ukraine hinterließen ihre Spuren auf dem deutschen Arbeitsmarkt. „Die goldenen Zeiten für Jobsuchende sind vorbei“, gibt die promovierte Sozialwissenschaftlerin Annina Hering in einem Interview mit dem Business Insider zu bedenken. Laut Indeed Job Index blieb die Nachfrage nach Arbeitskräften im Dezember 2023 zwölf Prozentpunkte hinter dem Vorjahresniveau zurück. Trotzdem sollten sich weder Jobsuchende noch Arbeitgeber von diesem Einbruch verunsichern lassen. Fachkräfte gelten auch weiterhin als Mangelware und die Auswirkungen der Personalengpässe sind in fast allen Branchen und Bereichen spürbar. Gemäß IAB-Stellenerhebung waren im dritten Quartal 2023 deutschlandweit 1.726.000 Stellen ohne Besetzung.

Recruiting als Chance begreifen

In wirtschaftlich unsicheren Zeiten trifft der Fachkräftemangel auf Unternehmen, die sich den Wettbewerb um neue Talente immer weniger leisten können. In einem Blog-Artikel vom Indeed Hiring Lab appelliert Annina Hering, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden als wichtigste Ressource nicht angesichts kurzfristiger Schwankungen und Instabilitäten aus dem Fokus verlieren dürften. Als Gewinner aus der aktuellen Krise könnten vor allem diejenigen Unternehmen hervorgehen, die mit kreativen und innovativen Recruiting-Methoden auf die Bedürfnisse und Wünsche der Jobsuchenden eingehen. Als konkrete Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität empfiehlt Hering unter anderem finanzielle Zusatzleistungen und attraktive Benefits, wie beispielsweise Willkommensprämien. Auch flexible Arbeitszeitmodelle spielen für viele Bewerber*innen eine ausschlaggebende Rolle, wenn sie sich für eine bestimmte Stelle entscheiden.

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Neues Jahr, neue Recruiting-Strategie!

Spätestens wenn der vorweihnachtliche Trubel abebbt, ist ein guter Zeitpunkt, um die Personalstrategie für das nächste Jahr zu überarbeiten und gegebenenfalls in neue Bahnen zu lenken. Dabei sollten auch aktuelle Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt werden. Im Jobs & Hiring Trends Report 2024 (PDF) analysiert Annina Hering die neuesten Strömungen und gibt Arbeitgebern konkrete Tipps, was sie bei der Planung ihrer Recruiting-Strategien für das kommende Jahr beachten sollten. Neben dem zunehmenden Trend zur Hybrid-Arbeit rät sie Unternehmen, künftig mehr Wert auf die tatsächlichen Fähigkeiten der Bewerber*innen zu legen und Quereinsteigenden eine Chance zu geben. Auch internationales Recruiting hält sie für sinnvoll, um die hiesigen Personallücken zu schließen. Darüber hinaus wird laut Hering die Integration von Künstlicher Intelligenz eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung des Fachkräftemangels spielen. Allerdings nicht, weil KI-Lösungen menschliche Arbeitsleistung ersetzen können, sondern weil sie die Beschäftigten von repetitiven und administrativen Tätigkeiten entlasten und dadurch für mehr Zufriedenheit und eine stärkere Mitarbeiterbindung sorgen.

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Was ist mit den Trends von 2023?

Ihre Recruiting-Strategie basiert auf den Trends des letzten Jahres und Sie fragen sich, ob es an der Zeit für einen Kurswechsel ist? Auch wenn sich die aktuelle Ausgabe in vielen wesentlichen Punkten vom Indeed-Trendreport 2023 unterscheidet, bleibt der Grundtenor mit dem allgegenwärtigen Fachkräftemangel unverändert. Unternehmen sollten 2024 genau wie bereits im letzten Jahr alles geben, damit sie im Wettbewerb um gefragte Talente nicht den Anschluss verlieren. Ob sie dieses Ziel am besten über mehr KI im Recruiting, finanzielle Anreize oder flexiblere Arbeitsmodelle erreichen, ist vom Einzelfall abhängig und sollte an mehr als nur einem Datumswechsel festgemacht werden. Wenn Sie 2023 beispielsweise mit mehr Diversität und Vielfalt bei Jobsuchenden punkten konnten, müssen Sie davon selbstverständlich keinen Abstand nehmen, nur weil Arbeitsmarktprognosen für 2024 andere Schwerpunkte in den Fokus rücken.

Recruiting ist ein langfristiges Erfolgskonzept, kein kurzfristiger Trend

Unternehmen sollten ihre Recruiting-Strategien auf dauerhafte Erfolge ausrichten und sich von kurzfristigen Trends nicht zu sehr aus dem Konzept bringen lassen. Auf diese Weise kann ein stimmiges Employer Branding entstehen, das neue Talente begeistert und die aktuelle Belegschaft stärker an ihren Arbeitgeber bindet. Das bedeutet allerdings nicht, dass Sie die Suche nach Fachkräften auf die lange Bank schieben dürfen. Die passende Besetzung für freie Stellen findet sich schließlich nicht von heute auf morgen. Die Time to Hire hat erheblichen Einfluss auf die Kosten der Personalbeschaffung und sollte so kurz wie möglich gehalten werden. Dazu gehört auch, dass Sie Recruiting-Maßnahmen zeitnah umsetzen und nicht so lange warten, bis Ihr Unternehmen die negativen Auswirkungen des Fachkräftemangels zu spüren bekommt. Handeln Sie proaktiv und nehmen Sie sich trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten fest vor, im neuen Jahr mehr in eine effiziente Mitarbeitersuche zu investieren.