Was ist Personalmangel in der Pflege?
Personalmangel in der Pflege beschreibt die chronische Unterbesetzung in mehreren Berufsfeldern des Gesundheitswesens, insbesondere in der Altenpflege und in Krankenhäusern. Dieser Mangel ist eine Folge des Ungleichgewichts zwischen der großen Zahl an pflegebedürftigen Menschen und der vergleichsweise geringen Anzahl an Pflegekräften.
Die Konsequenzen sind teils dramatisch: Aktive Pflegekräfte stehen vielmals unter Zeitdruck, arbeiten nicht selten in Mehrfachschichten und sind dadurch überbelastet. Dies führt dazu, dass Patient*innen keine ausreichende Behandlung erhalten und die Versorgungsqualität stark leidet.
Warum fehlt so viel Pflegepersonal?
Die Ursachen für den Personalmangel in der Pflege sind vielfältig. Es handelt sich vielfach um ein strukturelles, langfristiges Problem auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Die Hintergründe reichen von der Berufsreputation über die Gehälter bis zu demografischen Faktoren.
- Hohe körperliche und psychische Belastung: Pflegekräfte arbeiten oft unter schwierigen Bedingungen. Lange Schichtdienste, Überstunden und die regelmäßige Arbeit an Wochenenden und Feiertagen machen den Beruf herausfordernd. Der Stress hat nachhaltige Auswirkungen auf die Attraktivität des Arbeitsplatzes.
- Mangelnde Anerkennung des Pflegeberufs: Der Beruf genießt im Vergleich zu anderen Tätigkeiten weniger gesellschaftliches Ansehen, was das allgemeine Interesse an einer Laufbahn in der Pflege eher reduziert.
- Vergleichsweise geringe Bezahlung: Die Gehälter von Pflegekräften fallen im Vergleich zu anderen Berufen im Gesundheitssektor mit ähnlichen Anforderungen oft niedriger aus, was potenzielle Bewerber*innen demotiviert. Auch berufstätige junge Menschen entscheiden sich häufig zu einem frühen Ausstieg aus dem Beruf, um sich anderen Karrieremöglichkeiten zuzuwenden.
- Hohe Anzahl an Teilzeitkräften: Vollzeitbesetzungen sind wünschenswert in Pflegeeinrichtungen. Doch die Teilzeitarbeit ist weitverbreitet, was den Bedarf an zusätzlichem Personal steigert. Viele offene Stellen bleiben unbesetzt oder müssen durch mehrere Teilzeitkräfte abgedeckt werden, was die Planung für Pflegeeinrichtungen erschwert.
- Demografischer Wandel: Ein beträchtlicher Anteil der aktiven Pflegekräfte nähert sich dem Rentenalter. Dies wird den Personalnotstand im Pflegebereich weiter verschärfen.
- Erschwerte Zugänglichkeit der Pflegeausbildung: Die Anforderungen an die Pflegeausbildung in Deutschland sind hoch. Viele Bewerber*innen scheitern an dieser Qualifikationshürde. Qualifizierte Pflegehelfer*innen sind hingegen seltener von Erwerbslosigkeit betroffen und finden in der Regel schneller Beschäftigung.
- Geringe Nachwuchsgewinnung: Die Anzahl an Berufseinsteiger*innen in der Pflege ist zu niedrig, um die abgehenden Pflegekräfte zu ersetzen. Es mangelt an Menschen, die sich für eine Ausbildung in der Pflege entscheiden.
Die Gehaltsangaben wurden vor Veröffentlichung des Artikels von Indeed bezogen. Gehälter können je nach Organisation sowie je nach Erfahrung, Bildungshintergrund und Standort der Kandidat*innen variieren.
Wie viele Pflegekräfte werden gesucht?
Es fehlen aktuell Fachkräfte in allen Pflegeberufen. Insbesondere im Bereich der Altenpflege sind die Engpässe gravierend. Das Bundesgesundheitsministerium berichtet, dass rund 56 Prozent der bei der Bundesagentur gemeldeten Stellen in der Altenpflege sich an Fachkräfte (9.912 Stellen) richten, während 43 Prozent an Personen mit Helferqualifikation gerichtet sind (7.518 Stellen). Im Durchschnitt bleiben Stellenangebote für examinierte Altenpflegefachkräfte rund 246 Tage unbesetzt.
Im Jahr 2023 kamen auf 100 gemeldete Stellen in der Altenpflege rechnerisch nur 46 Arbeitslose. Bei den Altenpflegehelfer*innen war das Verhältnis mit 514 Arbeitslosen auf 100 gemeldete Stellen etwas besser.
Bitte beachten Sie, dass die in diesem Artikel erwähnten Unternehmen, Institutionen und Organisationen nicht mit Indeed verbunden sind.
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Personalmangel in der Krankenpflege
Auch in der Krankenpflege gibt es einen gravierenden Personalmangel: Auf 100 offene Stellen kommen heute lediglich 47 Bewerber*innen. Dieser Rückgang führt dazu, dass Pflegekräfte immer größere Patientengruppen betreuen müssen, was die Qualität der Pflege verringert und die Belastung der Fachkräfte zusätzlich verschärft. Um die bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen, würden heute rund 110.000 zusätzliche Pflegefachkräfte gebraucht. Prognosen zufolge werden bis zum Jahr 2030 bis zu 300.000 Stellen unbesetzt bleiben, sollte die aktuelle Entwicklung andauern.
Die Situation wird sich also weiter verschlechtern, da der Bedarf an Pflegekräften aufgrund der alternden Bevölkerung in Deutschland kontinuierlich steigt. Die bereits bestehenden Engpässe, insbesondere in ländlichen Gebieten, werden durch diese Entwicklungen noch verschärft. Als Arbeitgeber*in stehen Sie vor der Herausforderung, den Personalmangel in Ihrer Pflegeeinrichtung zu vermeiden. Durch eine strategische Herangehensweise und innovative Konzepte können Sie Ihre Stellenausschreibungen für Bewerber*innen attraktiv machen.
Strategien zur Bekämpfung des Personalmangels in Ihrer Pflegeeinrichtung
Der Fachkräftemangel in der Pflege erfordert innovative Ansätze, um qualifiziertes Personal zu rekrutieren und langfristig ans Unternehmen zu binden. Für Arbeitgeber ist es ratsam, sich nicht allein auf herkömmliche Methoden zu verlassen. Das Einschlagen neuer, kreativer Wege ist empfehlenswert, um neue Arbeitskräfte anzuziehen.
Employer Branding
Das Optimieren Ihrer Arbeitgebermarke, das sogenannte Employer Branding, kann dabei helfen, Pflegepersonal zu rekrutieren. Kommunizieren Sie transparent, was Ihre Pflegeeinrichtung einzigartig und attraktiv macht. Betonen Sie auf Ihrer Website, in den sozialen Medien sowie in Stellenausschreibungen, welche Werte Ihr Betrieb vertritt und welche Vorteile Sie Bewerber*innen bieten. Sie könnten hier flexible Arbeitszeitmodelle, interne Weiterbildungsprogramme oder besondere Anreize wie Unterstützung zur Kinderbetreuung nennen.
Gezieltes Rekrutieren von Bewerber*innen
Die Einbindung von Nachwuchstalenten ist essenziell, um dem Mangel an Pflegepersonal langfristig entgegenzuwirken. Sie können mit Schulen, Hochschulen und Berufsakademien zusammenarbeiten, um Pflegepraktika, Schnuppertage und Ausbildungsprogramme anzubieten. Indem Sie künftigen Fachkräften frühzeitig Einblicke in den Beruf bieten und herausfinden, was ihnen bei neuen Arbeitsstellen wichtig ist, können Sie sich beim Recruitment einen Vorteil gegenüber anderen Einrichtungen verschaffen.
Internationale Rekrutierung
Die Bundesregierung hat seit einigen Jahren Programme zur Rekrutierung von Pflegekräften aus dem Ausland ins Leben gerufen. Sie haben dabei die Möglichkeit, Kooperationen mit internationalen Pflegeakademien einzugehen, um Fachkräfte zu rekrutieren. Wichtig ist hier, ein geeignetes Integrationsprogramm bereitzustellen, das Sprachkurse, kulturelles Training und Unterstützung bei der Anerkennung von Abschlüssen beinhaltet.
Digitale Rekrutierung
Mit Online-Plattformen, sozialen Medien oder einer benutzerfreundlichen Karriereseite können Sie die Bewerbung bei Ihrem Unternehmen für Pflegekräfte attraktiver gestalten. Möglich ist unter anderem der Einsatz gezielter Social-Media-Kampagnen oder Jobanzeigen, um qualifizierte Kandidat*innen zu erreichen.
Recruiting-Events
Persönliche Begegnungen sind auch im digitalen Zeitalter wichtig. Durch die Teilnahme an Jobmessen, speziell für Pflegeberufe, oder bei eigenen Recruiting-Events können Sie sich mit potenziellen Kandidat*innen austauschen. Das direkte Gespräch und die Vorstellung Ihrer Unternehmenskultur können unsichere Bewerber*innen dazu motivieren, sich für Ihre Einrichtung zu entscheiden.
Innovative Anreize schaffen
Innerhalb Ihrer Pflegeeinrichtung können Sie Anreize bieten, wie beispielsweise eine „Freunde-werben-Freunde“-Prämie für Mitarbeitende, die neue Pflegekräfte vermitteln. Andere Anreize könnten etwa Systeme sein, die Ihrem Pflegepersonal Aufstiegsmöglichkeiten, berufliches Wachstum und die Anerkennung besonderer Leistungen bieten. Durch das Analysieren der verschiedenen Beweggründe für den Ein- und Ausstieg in den Pflegeberuf können Sie gezielt Belohnungen einsetzen, um Fachkräfte zu rekrutieren und zu halten.
Engagement in der Gemeinde vor Ort
Ein stärkeres Engagement vor Ort kann ebenfalls helfen, qualifiziertes Personal zu finden. Organisieren Sie Informationsveranstaltungen, einen Tag der offenen Tür oder Pflegeberufs-Messen, um das Interesse am Pflegeberuf zu wecken. Wenn Sie sich aktiv in der Gemeindearbeit zeigen, positionieren Sie sich als attraktiver Arbeitgeber vor Ort und steigern Ihre Bekanntheit.
Flexibilität und individuelle Arbeitszeitmodelle
Flexibilität kann Ihnen wesentliche Vorteile im Wettbewerb um qualifizierte Pflegekräfte verschaffen. Bieten Sie flexible Arbeitszeitmodelle, Jobsharing und Schichtpläne an, die den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht werden. Die Möglichkeit, familiäre Verpflichtungen mit der Arbeit in Einklang zu bringen, ist für viele Pflegekräfte ein Faktor zur Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Arbeitgeber.
Mehr dazu: Internationales Recruiting: Fachkräfte im Ausland finden
Pflegepersonal langfristig binden
Das Halten von qualifizierten Pflegekräften ist genauso wichtig wie ihre Rekrutierung. Als Arbeitgeber*in können Sie verschiedene Maßnahmen ergreifen, um die Zufriedenheit des Personals zu steigern und es so langfristig zu binden.
- Verbesserung der Arbeitsbedingungen: Pflegekräfte, die oft Überstunden leisten und an ihre Grenzen stoßen, sind gefährdet, den Beruf aufzugeben. Achten Sie daher auf eine ausgewogene Work-Life-Balance und bieten Sie etwa eine betriebliche Gesundheitsförderung und regelmäßige Erholungszeiten an.
- Ermöglichen von Aufstiegschancen: Bieten Sie Fortbildungen und Schulungen an, die es Ihren Pflegekräften ermöglichen, ihre Fähigkeiten auszubauen und sich auf neue Herausforderungen vorzubereiten. Zudem können Programme für Führungskräfteentwicklung oder die Möglichkeit, in spezifische Fachgebiete zu wechseln, die Bindung ans Unternehmen erhöhen.
- Anerkennung Ihrer Mitarbeitenden: Zeigen Sie, dass Sie die Arbeit Ihrer Pflegekräfte wertschätzen. Durch regelmäßige Feedbackgespräche, Lob und öffentliche Anerkennung sorgen Sie dafür, dass Ihre Pflegekräfte sich anerkannt fühlen. Finanzielle Anreize wie Boni oder Prämien für besondere Leistungen sind weitere Möglichkeiten, die Mitarbeitermotivation zu steigern.
- Einbindung in Entscheidungsprozesse: Lassen Sie Ihre Pflegekräfte wissen, dass ihre Meinung zählt. Regelmäßige Teammeetings und eine offene Kommunikation von Unternehmensentscheidungen können das Engagement und die Zufriedenheit Ihrer Mitarbeitenden steigern. Ein offenes Ohr für Kritik und Verbesserungsvorschläge sollte zur Kultur Ihrer Pflegeeinrichtung gehören, damit Ihr Personal sich gut aufgehoben fühlt.
Weitere Ansätze zur Milderung des Pflegepersonalmangels
Um dem Personalmangel entgegenzuwirken, können Sie außerdem die Prozesse in Ihrer Pflegeeinrichtung optimieren. Hier sind einige Möglichkeiten dazu:
- Digitalisierung zeitaufwendiger Aufgaben: Dies entlastet Ihre Pflegekräfte von administrativen Tätigkeiten, sodass mehr Zeit für die direkte Patientenversorgung bleibt. Hierunter fällt unter anderem der Einsatz von KI, die repetitive Aufgaben übernehmen kann, sofern Sie dabei nicht gegen Datenschutzgesetze verstoßen. Digitalisierung bedeutet auch, Ihren Mitarbeitenden die nötige Ausstattung zur Verfügung zu stellen. Dazu zählen etwa Laptops, Tablets oder interne Systeme wie elektronische Patientenakten.
- Einhaltung von Personaluntergrenzen: Statt Pflegekräfte durch zu hohe Patientenzahlen zu überlasten, könnten Sie Betten sperren, bevor Kapazitäten überschritten werden. Dies schützt das Pflegepersonal vor Burn-out, bewahrt Ihre Patient*innen vor Mangelbehandlung und kann zudem Ihre Personalbeschaffungskosten senken.
- Nutzen von Springerpools und Bereitschaftsdiensten: Kurzfristige Personalausfälle lassen sich durch den Einsatz von Springerpools oder externen Bereitschaftsdiensten ausgleichen. So können Sie Personalengpässe flexibel abdecken, ohne Ihre reguläre Belegschaft zu überlasten.
Tipp: Im Rahmen der „Konzertierten Aktion Pflege“, die von mehreren Ministerien in Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren der Pflegebranche ins Leben gerufen wurde, werden Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte entwickelt. Ziel dabei ist es, den Pflegeberuf attraktiver zu machen und langfristig mehr Fachkräfte zu gewinnen. Informieren Sie sich über die Schritte und Entscheidungen dieses Programmes, um sicherzustellen, dass Ihre Einrichtung alle Förderungsmöglichkeiten rechtzeitig wahrnimmt.
Fazit: Personalmangel in der Pflege als Chance
Die Herausforderungen des Pflegepersonalmangels bieten Chancen, neue unternehmerische Wege zu gehen. Indem Sie proaktiv neue Rekrutierungsstrategien entwickeln und die Arbeitsbedingungen verbessern, können Sie nicht nur qualifiziertes Personal gewinnen, sondern auch dessen langfristige Bindung sichern. Flexibilität, Wertschätzung und eine moderne Unternehmenskultur können die Attraktivität des Pflegeberufs steigern. So betrachtet haben Sie in dieser Situation die Gelegenheit, aktiv die Zukunft der Pflege mitzugestalten – als eine Branche, die nicht nur fordert, sondern auch fördert.
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