Was ist ein kompetenzbasiertes Interview?
Während häufig gestellte Interviewfragen in Vorstellungsgesprächen meist dazu dienen, die Bewerber*innen besser kennenzulernen und herauszufinden, wie gut sie zum Unternehmen passen, fokussieren sich kompetenzbasierte Interviews auf die spezifischen Fähigkeiten, die für die ausgeschriebene Stelle relevant sind. Mithilfe verhaltensbezogener Fragen können Arbeitgeber ermitteln, wie die Kandidat*innen in der Vergangenheit bestimmte Aufgaben bewältigt und Herausforderungen gemeistert haben. Kompetenzbasierte Interviews weisen typischerweise die folgenden Merkmale auf:
- Fokus auf vergangenes Verhalten: Kompetenzbasierten Interviews liegt die Annahme zugrunde, dass frühere Verhaltensweisen ein aussagekräftiger Indikator für künftige Handlungen sein können. Daher wird vornehmlich das bisherige Vorgehen der Bewerber*innen in bestimmten beruflichen Situationen abgefragt.
- Strukturierter Ablauf: Die im Voraus festgelegten Interviewfragen decken gezielt die wichtigsten Kompetenzfelder für die zu besetzende Stelle ab. Dabei kann es sich beispielsweise um technisches Verständnis, Teamgeist, Kommunikationsfähigkeiten, Führungsqualitäten oder andere dringend erforderliche Fachqualifikationen oder Soft Skills handeln.
- Praxisbeispiele: Die Bewerbenden belegen ihre Kompetenzen mit konkreten Beispielen und bisherigen Berufserfahrungen. Dabei kommt häufig die sogenannte STAR-Interview-Methode zum Einsatz. Indem die Kandidat*innen eine Situation (situation), die Aufgabe (task), ihre Handlungen (action) und das daraus resultierende Ergebnis (result) schildern, können sich die Interviewer*innen ein umfassendes Bild von den Fähigkeiten der Jobsuchenden machen.
Im Anschluss an das kompetenzbasierte Interview werden die Antworten analysiert und miteinander verglichen. Die Auswertung dient Arbeitgebern als Entscheidungsgrundlage für die endgültige Personalauswahl.
Das könnte Sie auch interessieren: Aufschlussreiche Fragen in Vorstellungsgesprächen: Warum Sie sie stellen sollten und was Ihnen die Antworten sagen
Beispiele für kompetenzbasierte Interviewfragen
Die Fragen in kompetenzbasierten Interviews sollten sich in erster Linie auf die Fähigkeiten konzentrieren, die für die zu besetzende Position unbedingt erforderlich sind. Hier ein paar Beispielfragen für Skills, die bei Arbeitgebern besonders hoch im Kurs stehen:
- Teamfähigkeit: Erzählen Sie von einer Situation, in der Sie erfolgreich in einem Team gearbeitet haben, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Welche Rolle haben Sie übernommen und wie haben Sie konkret zum Erfolg beigetragen?
- Organisationstalent: Geben Sie ein Beispiel dafür, wie Sie mehrere Projekte oder Aufgaben mit knappen Fristen gleichzeitig bewältigen konnten. Wie haben Sie Ihre Prioritäten gesetzt?
- Strategisches Denken: Beschreiben Sie, wie Sie eine langfristige Strategie für ein Projekt oder eine Abteilung entwickelt und diese erfolgreich umgesetzt haben.
- Entscheidungsfindung: Erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie eine schwierige Entscheidung unter Zeitdruck treffen mussten? Welche Informationen haben Sie dabei berücksichtigt und was war das Ergebnis?
- Kommunikationsstärke: Wie sind Sie bisher vorgegangen, wenn Sie komplexe Ideen oder berufsspezifische Inhalte einem nicht fachkundigen Publikum näherbringen sollten?
- Führungskompetenz: Mit welchen Methoden haben Sie Ihre ehemaligen Teammitglieder motiviert?
- Kundenorientierung: Erzählen Sie von einer Situation, in der Sie unzufriedene Kunden betreuen mussten. Wie konnten Sie das Problem lösen?
Wichtig ist, dass Ihre Fragen die Kandidat*innen dazu bringen, konkrete Beispiele aus ihrem bisherigen Berufsleben anzuführen. Beschränken Sie sich dabei auf die wichtigsten Kompetenzfelder für die freie Stelle, um das Auswahlverfahren möglichst effizient zu gestalten.
Was Arbeitgeber aus kompetenzbasierten Antworten ableiten können
Wenn sich die Kandidat*innen in vergangenen Situationen so verhalten haben, wie Sie es auch von Ihren Mitarbeiter*innen erwarten würden, ist das ein offensichtlicher Pluspunkt. Doch auch zwischen den Antwortzeilen können sich Hinweise zur Eignung der Bewerber*innen verstecken:
- Wenn Kandidat*innen zahlreiche und relevante Beispiele anführen, verfügen sie in der Regel über viel Erfahrung in den gefragten Bereichen.
- Eine klare Strukturierung und eine selbstbewusste Präsentation der Antworten können als Indikatoren für ausgeprägte Kommunikationsstärke dienen.
- Die Fähigkeit, gesammelte Erfahrungen zu reflektieren und aus ihnen zu lernen, weist auf eine gute Selbsteinschätzung und die Bereitschaft zur kontinuierlichen Weiterentwicklung hin.
- Dass Bewerber*innen ihren Beitrag zum Erfolg ihres früheren Arbeitgebers mit konkreten Ergebnissen nachweisen können, macht sie wahrscheinlich auch für Ihr Unternehmen zu einer Bereicherung.
Durch gezieltes Fragen und aufmerksames Zuhören können sich Arbeitgeber in kompetenzbasierten Interviews einen umfassenden Gesamteindruck von den Fähigkeiten und Potenzialen der Bewerber*innen verschaffen.
Vorteile eines kompetenzbasierten Interviews
Kompetenzbasierte Interviews bietet Arbeitgebern viele Vorteile gegenüber klassischen Vorstellungsgesprächen:
Objektivität und Vergleichbarkeit
Dass allen Bewerber*innen identische, vorab festgelegte Fragen gestellt werden, erleichtert einen direkten Vergleich ihrer Kompetenzen und reduziert das Risiko von subjektiven Fehleinschätzungen und unbewussten Vorurteilen. Darüber hinaus sorgt ein standardisierter Fragenkatalog für Struktur und Vollständigkeit.
Zuverlässige Leistungsprognose
Basierend auf den früheren Verhaltensweisen der Kandidat*innen lassen sich zuverlässige Aussagen über ihre Eignung für die neue Position treffen. Durch die Beschreibung konkreter Situationen aus der beruflichen Vergangenheit der Bewerbenden entsteht ein realistischerer Eindruck ihrer Fähigkeiten, während hypothetische Fragen oft nur mit Standardfloskeln beantwortet werden.
Fokus auf relevante Kompetenzen
Da die einzelnen Fragen auf die wichtigsten Anforderungen der Stelle abgestimmt werden, erhöhen sich die Relevanz und die Qualität der während des Vorstellungsgesprächs gewonnenen Informationen. Außerdem können Arbeitgeber in kompetenzbasierten Interviews gezielt nach Fähigkeiten suchen, die für den Erfolg in der spezifischen Rolle entscheidend sind.
Transparenz und Nachvollziehbarkeit
Die strukturierte Form kompetenzbasierter Interviews liefert eine fundierte Basis für die Begründung und die Dokumentation der getroffenen Entscheidungen. Zudem gewährleistet ein standardisierter Ansatz, dass alle Bewerber*innen fair und nach identischen Kriterien beurteilt werden. Diese Vorgehensweise erhöht die Chancengleichheit am Arbeitsplatz und beugt Diskriminierung vor.
Zeiteffizienz
Kompetenzbasierte Interviews konzentrieren sich auf die wesentlichen, für die Stelle erforderlichen Fähigkeiten und vergeuden keine Zeit mit irrelevanten Fragen und Allgemeinplätzen. Darüber hinaus kann der vorgefertigte Ablauf die Entscheidungsfindung und damit den gesamten Rekrutierungsprozess beschleunigen.
Verbesserung der Kandidatenerfahrung
Fairness und Objektivität im Bewerbungsverfahren vermitteln den Jobsuchenden gleich beim ersten Kontakt einen guten Eindruck von ihrem künftigen Arbeitgeber und können das Employer Branding verbessern. Auch kann der Fokus auf die Stärken der Bewerber*innen zu einer gelungenen Candidate Experience und zu einer positiven Wahrnehmung des gesamten Unternehmens beitragen.
Identifikation von Entwicklungsbedarf
Durch das gezielte Abfragen bestimmter Kompetenzen lassen sich Entwicklungsbedarfe bei den Kandidat*innen leichter identifizieren. Wenn Arbeitgeber eventuelle Defizite frühzeitig erkennen, können sie beim Onboarding neuer Mitarbeiter*innen unmittelbar auf solche Schwachstellen eingehen und entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen fördern.
Das könnte Sie auch interessieren: Kompetenzmanagement: Wie Sie als Unternehmen davon profitieren
Kompetenzbasierte Interviews führen: So geht’s
Wenn Sie ein Bewerbungsgespräch führen, ist eine sorgfältige Vorbereitung unerlässlich. Damit ein kompetenzbasiertes Interview zum gewünschten Einstellungserfolg führt, können Sie folgendermaßen vorgehen:
1. Relevante Kompetenzen auswählen
Bereits beim Verfassen der Stellenbeschreibung haben Sie sich wahrscheinlich Gedanken über die wichtigsten Qualifikationen und Fähigkeiten gemacht, die geeignete Bewerber*innen für den Job mitbringen sollten. Vielleicht lassen sich auch aus einer bereits vorhandenen Kompetenzmatrix aussagekräftige Rückschlüsse ziehen. Zusätzlich können Sie das Feedback der bestehenden Belegschaft einholen, um sicherzustellen, dass Ihre Fragen alle wesentlichen Kompetenzen abdecken.
2. Strukturierte Fragen entwickeln
Erstellen Sie einen Fragenkatalog, der sich auf die identifizierten Kompetenzen konzentriert. Jede Frage sollte darauf abzielen, ein bestimmtes Verhalten oder eine spezifische Fähigkeit zu evaluieren, wie beispielsweise Teamgeist oder Durchsetzungsvermögen. Wählen Sie die Formulierungen so, dass die Bewerber*innen ihre Antworten möglichst nach der STAR-Methode strukturieren können.
3. Interviewer*innen schulen
Stellen Sie sicher, dass alle am Recruiting beteiligten Personen mit den Prinzipien, Abläufen und Zielen kompetenzbasierter Vorstellungsgespräche vertraut sind. Neben der STAR-Methode sollten die Personaler*innen auch andere Interviewtechniken kennen und anwenden können. Sie sollten wissen, mit welchen Fragen sich die Qualifikationen von Bewerber*innen testen und unbewusste Vorurteile in Vorstellungsgesprächen vermeiden lassen. Auch allgemeine Schulungen zum Thema Kompetenzentwicklung können sich auszahlen.
4. Objektive Bewertungskriterien festlegen
Bestimmten Sie eindeutige Messgrößen, indem Sie das Vorliegen bestimmter Kompetenzen beispielsweise auf einer numerischen Skala bewerten, wobei 1 für „gar nicht vorhanden“ und 5 für „ausgezeichnet entwickelt“ steht. Das Standardisieren und Dokumentieren der Antworten liefert die Basis für leicht vergleichbare Ergebnisse und unvoreingenommene Einstellungsentscheidungen.
5. Rahmenbedingungen schaffen
Sorgen Sie dafür, dass im Interviewraum Ruhe herrscht und ungestörte Gespräche geführt werden können. Bereiten Sie alle nötigen Unterlagen für den wichtigen Termin vor, einschließlich Fragenkatalog, Stellenbeschreibung, Lebenslauf, Anschreiben und Zeugnisse. Bei virtuellen Vorstellungsgesprächen sollten auch alle technischen Hilfsmittel einwandfrei funktionieren.
6. Auf Transparenz setzen
Kommunizieren Sie offen mit den Bewerber*innen und machen Sie kein Geheimnis aus dem Format des geplanten Interviews. Ob die Kandidat*innen Ihre Hinweise ignorieren oder sich gezielt auf kompetenzbasierte Fragen vorbereiten, kann als weiteres Auswahlkriterium herangezogen werden. Ein klares Abstecken der Erwartungen kann darüber hinaus die Nervosität der Jobsuchenden mindern und eine angenehme Interviewatmosphäre schaffen.
7. Feedback einholen
Falls mehrere Mitarbeiter*innen am Interviewprozess beteiligt waren, sollten diese ihre Eindrücke und Bewertungen nach dem Vorstellungsgespräch miteinander besprechen. Auf diese Weise werden nicht nur mehr, sondern auch objektivere Informationen dokumentiert. Auch das Feedback der Bewerber*innen ist wichtig, um den Interviewprozess kontinuierlich zu verbessern. Erstellen Sie eine Umfrage und finden Sie heraus, ob zusätzliche Schulungen für die Interviewer*innen nötig sind oder die Bewertungskriterien angepasst werden sollten.
Mit einer sorgfältigen Vorbereitung und einer strukturierten Herangehensweise ermöglichen kompetenzbasierte Interviews eine objektive und umfassende Bewertung der Fähigkeiten und Erfahrungen von Bewerber*innen. Sie helfen Arbeitgebern, schnell geeignete Fachkräfte für freie Stellen zu finden und können auf diese Weise maßgeblich zum langfristigen Wachstum und Erfolg von Unternehmen beitragen.