Was ist berufliche Neuorientierung?
Berufliche Neuorientierung bezeichnet den Prozess, in dem sich eine Person entscheidet, ihre professionellen Ziele zu ändern und einen anderen Karrierepfad einzuschlagen. Dieser Wandel kann verschiedene Formen annehmen, wie zum Beispiel den Wechsel der Branche oder des Arbeitgebers, das Erlernen zusätzlicher Fähigkeiten, eine Weiterbildung, eine Umschulung oder gar die Gründung eines eigenen Unternehmens. Genauso vielfältig wie die individuelle Ausgestaltung können auch die Ursachen für eine berufliche Neuorientierung sein:
- Unzufriedenheit im aktuellen Job
- fehlende Aufstiegsmöglichkeiten
- Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance
- gesundheitliche Beweggründe
- Veränderungen der familiären Situation
- persönliche Interessen
- Anpassung an neue Arbeitsmarktbedingungen
Obwohl der Wunsch nach Neuorientierung in einer lebenslangen Berufslaufbahn nichts Ungewöhnliches ist, herrscht nur in den wenigsten Betrieben eine derart offene Unternehmenskultur, dass die Mitarbeiter*innen ihr Bedürfnis unmissverständlich mit ihren Arbeitgebern teilen. Aus Unsicherheit oder Angst vor negativen Konsequenzen verfolgen sie ihre neuen Karriereziele häufig im Alleingang, bis sie ihr professionelles Umfeld mit dem Einreichen der Kündigung vor vollendete Tatsachen stellen. Als Arbeitgeber sollten Sie sich also unbedingt proaktiv mit den Wünschen und Bedürfnissen Ihrer Beschäftigten auseinandersetzen und sie mit geeigneten Unterstützungs- und Entwicklungsmaßnahmen auf dem Weg zum beruflichen Wandel begleiten.
Berufliche Neuorientierung als Chance
Wenn Sie Ihren Mitarbeiter*innen die Möglichkeit geben, sich intern beruflich weiterzuentwickeln und ohne Arbeitgeberwechsel einen neuen Karrierepfad zu verfolgen, kann das gesamte Unternehmen in vielerlei Hinsicht davon profitieren:
Erhöhte Motivation und Zufriedenheit
Die Aussicht auf die Verwirklichung professioneller Ziele kann die Motivation Ihrer Beschäftigten verbessern. Dass die Bedürfnisse der Belegschaft am Arbeitsplatz ernst genommen und individuelle Wünsche möglichst erfüllt werden, führt oft zu einer gesteigerten Einsatzbereitschaft und wirkt sich positiv auf die allgemeine Mitarbeiterzufriedenheit aus.
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Kompetenzgewinn
Durch Umschulungen, Weiterbildungen oder durch die praktische Übernahme anderer Rollen und Tätigkeiten innerhalb des Unternehmens können Mitarbeiter*innen zusätzliche Fähigkeiten und Kenntnisse erwerben. Wenn sie in neuen Positionen zum Einsatz kommen, überzeugen sie oft mit frischen Perspektiven, unkonventionellen Ideen und kreativen Lösungsansätzen. Mit den persönlichen Skillsets Ihrer Beschäftigten erweitert sich darüber hinaus das Kompetenzspektrum im gesamten Unternehmen, sodass Ihr Betrieb bestens für künftige Herausforderungen gewappnet ist.
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Reduzierte Fluktuation
Interne Entwicklungsmöglichkeiten können Mitarbeiterfluktuation verhindern und die meist hohen Recruitingkosten für Neueinstellungen im Unternehmen senken. Schließlich müssen sich Beschäftigte, die sich beruflich neu orientieren möchten, nicht mehr nach einem anderen Arbeitgeber umsehen, um ihre professionellen Ziele zu verwirklichen. Während die Wechselbereitschaft abnimmt, steigen in der Regel die Loyalitätswerte und auch die so wichtige Mitarbeiterbindung.
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Stärkung der Arbeitgebermarke
Indem Sie die berufliche Neuorientierung Ihrer Mitarbeiter*innen aktiv unterstützen, positionieren Sie sich als attraktiver Arbeitgeber und schaffen in Zeiten des Fachkräftemangels einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil für Ihr Unternehmen. Mit einem breiten Weiterbildungsangebot zeigen Sie, dass Ihnen die professionelle Zukunft Ihrer Beschäftigten am Herzen liegt. Investitionen in Personalentwicklungsmaßnahmen zahlen somit auf Ihr Employer Branding ein und können neue Talente von Ihrer Organisation begeistern.
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Verbesserte Unternehmenskultur
Allein die Tatsache, dass Sie als Arbeitgeber wissen, wenn sich ein/e Mitarbeiter*in beruflich neu orientieren möchte, spricht für eine gute Unternehmenskultur. Statt ohne Vorwarnung zu kündigen, bringen Ihre Beschäftigten das nötige Vertrauen auf, um sich mit ihren Bedürfnissen an die zuständige Ansprechperson zu wenden. Transparenz und eine offene Kommunikation gelten als wichtige Voraussetzungen für eine angenehme Arbeitsatmosphäre und ein produktives Betriebsklima.
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Strategische Umstrukturierung
Berufliche Neuorientierung kann als strategisches Mittel genutzt werden, um bestehende Qualifikationslücken innerhalb Ihrer Organisation zu schließen und flexibel auf die ständigen Marktschwankungen in der heutigen VUCA-Welt zu reagieren. Mitarbeiter*innen, die den Willen und die Bereitschaft für einen professionellen Wandel mitbringen, zeichnen sich häufig durch eine hohe Anpassungsbereitschaft aus. Da sie strukturellen Veränderungen im Unternehmen oft gelassen entgegenblicken, können sie skeptischen Kolleg*innen unbegründete Ängste nehmen.
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Berufliche Neuorientierung als Risiko
Trotz der zahlreichen Vorteile stehen einige Arbeitgeber dem Wunsch nach beruflicher Neuorientierung bei ihren Mitarbeiter*innen skeptisch gegenüber. Sie scheuen die hohen Kosten, die mit den nötigen Maßnahmen zur Personalentwicklung einhergehen. Andere befürchten, dass die Beschäftigten nach ihrer Weiterbildung trotzdem zur Konkurrenz abwandern. Auch die kurzfristigen Produktivitätsverluste, die mit der Übernahme einer neuen Tätigkeit einhergehen können, bereiten manchen Arbeitgebern Kopfzerbrechen. Sie glauben, dass häufige Rollenwechsel und Neuerungen im Personalgefüge zu Unsicherheit und Unruhe bei den weniger veränderungsbereiten Kolleg*innen führen könnten. Zudem sorgen sie sich um die Arbeitsmoral und um das Zusammengehörigkeitsgefühl im Team.
Die meisten Bedenken lassen sich allerdings als vorübergehende Begleiterscheinungen entkräften, die Sie mit einer offenen Kommunikation und regelmäßigen Feedbackgesprächen schnell in den Griff bekommen. Und in finanzieller Hinsicht ist selbst die teuerste Personalentwicklungsmaßnahme in der Regel noch immer günstiger als die Suche nach neuen Mitarbeiter*innen.
So unterstützen Sie Mitarbeiter*innen bei der beruflichen Neuorientierung
Aufgrund der überwiegenden Vorteile lohnt sich eine Investition in die berufliche Neuorientierung Ihrer Mitarbeiter*innen in den meisten Fällen. Wie Sie die professionelle Entwicklung Ihrer Belegschaft am besten begleiten, können Sie dem folgenden Schritt-für-Schritt-Leitfaden entnehmen.
Schritt 1: Bedarfsanalyse
Zunächst sollten Sie die Bedürfnisse und Interessen Ihrer Beschäftigten identifizieren. Dafür eignen sich beispielsweise schriftliche Umfragen oder persönliche Gespräche. Wichtige Voraussetzung für aussagekräftige Ergebnisse ist eine Unternehmenskultur, in der Mitarbeiter*innen ihre Wünsche und Bedenken bezüglich ihrer beruflichen Entwicklung offen äußern können, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.
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Schritt 2: Entwicklungsplanung
Bieten Sie individuelle Beratungsgespräche an, um Ihre Beschäftigten bei der Erstellung eines persönlichen Karriereplans zu unterstützen. Außerdem können Sie Mentoring-Programme etablieren, in deren Rahmen erfahrene Mitarbeiter*innen ihre Kenntnisse und Erfahrungen mit den Kolleg*innen teilen, die sich beruflich neu orientieren möchten.
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Schritt 3: Weiterbildung und Umschulung
Jetzt geht es an die Entwicklung konkreter Weiterbildungs- und Umschulungsangebote, die Ihre Mitarbeiter*innen bestmöglich auf ihre neuen Rollen und Funktionen innerhalb des Unternehmens vorbereiten. Unter anderem eignen sich die folgenden Maßnahmen, um Ihre Beschäftigten bei der beruflichen Neuorientierung zu unterstützen:
- Anerkannte Weiterbildungen: Ermöglichen Sie Ihren Mitarbeiter*innen die Teilnahme an berufsbegleitenden Weiterbildungsangeboten, um ihre fachlichen Qualifikationen zu verbessern. Vom Nachholen eines Schulabschlusses über Meisterkurse bis hin zum Hochschulstudium – Weiterbildung ist der Schlüssel zu persönlicher Entwicklung und langfristiger Jobzufriedenheit.
- Fachbezogene Schulungen: IT-Trainings, Buchhaltungsseminare, Sprachkurse oder Soft-Skill-Workshops können Mitarbeiter*innen gezielt auf die Anforderungen einer bestimmten Stelle vorbereiten. Schulungen können intern oder von externen Anbietern durchgeführt werden und in Präsenz oder virtuell stattfinden.
- Job-Rotation und Projektarbeit: Von Job-Rotation spricht man, wenn Beschäftigte für eine bestimmte Zeit in andere Abteilungen oder Positionen wechseln, um neue Fähigkeiten zu erlernen und andere Bereiche des Unternehmens kennenzulernen. Auch durch eine Mitarbeit an bereichsübergreifenden Projekten können praktische Erfahrungen in anderen Tätigkeitsfeldern gesammelt werden.
- Allgemeines Coaching: Stellen Sie Ihrem Personal professionelle Coach*innen, erfahrene Mitarbeitende oder langjährige Führungskräfte zur Seite, die bei generellen Fragen zur Karriereentwicklung beraten und bei persönlichen Herausforderungen ihre Unterstützung bieten.
- Führungskräfteentwicklung: Bereiten Sie ambitionierte Mitarbeiter*innen, die über die wichtigsten Eigenschaften einer guten Führungskraft verfügen, mit speziellen Programmen auf die Übernahme von Leitungspositionen im Unternehmen vor. Führungskräfteentwicklung ist ein entscheidender Faktor, um Ihren Betrieb fit für die Zukunft zu machen.
Achten Sie darauf, dass sich die Weiterbildungsangebote an den individuellen Bedürfnissen Ihrer Beschäftigten orientieren. Nicht alle Mitarbeiter*innen möchten mehr Verantwortung übernehmen und schnell die nächste Karrierestufe erreichen. Manche streben eine berufliche Neuorientierung an, um Stress am Arbeitsplatz abzubauen und von einer besseren Work-Life-Balance zu profitieren.
Schritt 4: Unterstützung bei externen Karriereschritten
Selbst wenn Sie Ihren Beschäftigten sämtliche Weiterbildungschancen eröffnen und sie ermutigen, sich auf interne Stellenausschreibungen zu bewerben, ist eine Kündigung nicht immer vermeidbar. Sollten sich Mitarbeitende trotz aller Entwicklungsmaßnahmen für einen Abschied aus dem Unternehmen entscheiden, reagieren Sie möglichst mit Verständnis. Indem Sie auch weiterhin Ihre Unterstützung bei der Netzwerkbildung und externen Karriereberatung anbieten, hinterlassen Sie einen bleibenden Eindruck als attraktiver Arbeitgeber. Brechen Sie den Kontakt zu ehemaligen Fachkräften nicht ab und halten Sie ihnen durch Alumni-Programme und Talentpools die Option offen, zu einem späteren Zeitpunkt ins Unternehmen zurückzukehren.
Schritt 5: Regelmäßige Überprüfung der Maßnahmen
Kontrollieren Sie die Effektivität Ihrer Unterstützungsangebote regelmäßig, indem Sie beispielsweise Umfragen zur Mitarbeiterzufriedenheit durchführen oder konkretes Feedback zu einzelnen Maßnahmen einholen. Darüber hinaus sollten Sie den Erfolg der beruflichen Neuorientierung Ihrer Beschäftigten anhand objektiver und eindeutig messbarer Kennzahlen bewerten. Ermitteln Sie beispielsweise, ob die Produktivität steigt, die Fluktuationsrate sinkt und wie sich die Anzahl der Weiterbildungen pro Mitarbeiter*in entwickelt.
Falls sich keine sichtbaren Verbesserungen zeigen, sollten Sie über eine Anpassung der bisherigen Maßnahmen nachdenken. Ziehen Sie aber bitte keine vorschnellen Schlüsse: Personalentwicklung ist ein langfristiger Prozess, dessen Erfolg sich nicht von heute auf morgen einstellt. Doch Ihre Geduld wird sich in den meisten Fällen auszahlen. Denn die anhaltende Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung kommt nicht nur Ihren Mitarbeiter*innen zugute, sondern kann dauerhaft zum Erfolg des gesamten Unternehmens beitragen.